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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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Haare zu bürsten. Sie wusste, dass ihr Mann Zeit brauchte, um bestimmte Neuigkeiten zu verdauen, und jetzt war es wichtig, dass er diese verdaute, bevor sie ihn mit der nächsten fütterte. Die Neuigkeit, die sie ihm bereits seit Tagen mitteilen wollte, ohne bisher den richtigen Augenblick gefunden zu haben.
    »Also, was sollen wir tun? Was meinst du?«
    »Nichts, Liebling. Wir machen gar nichts. Wir lassen sie ihre wenigen Stunden so nutzen, wie sie es am liebsten möchten. Schließlich tun sie nichts Schlimmes. Sie tun genau dasselbe wie wir. Im Grunde ist es doch egal, findest du nicht?«
    Nein, dachte Tòfol. Wieso sollte das egal sein? Wie konnte es egal sein, ob er bei Anna war, der Frau, mit der er schon sein ganzes Leben lang verheiratet war, oder ob ein Fremder mit ihr zusammen war? Natürlich war die Frau bei dem Fremden eigentlich nicht seine Frau, sondern ebenfalls eine Fremde, die zufälligerweise denselben Körper teilte. Doch diese Vorstellung war zu kompliziert für ihn. Er war ein 1950 geborener Mann und gewöhnt, dass in jedem Körper eine Seele wohnte, und zwar nur eine. Beschlichen ihn jetzt etwa religiöse Skrupel, nachdem er sein ganzes Leben lang jede Art von theologischem Unsinn geleugnet hatte? Oder war es einfach Eifersucht, die vulgärste und primitivste Gemütsregung des Menschen?
    Anna erhob sich vom Toilettentisch und ging hinaus auf die Terrasse. Sie setzte sich ihrem Mann zu Füßen und ergriff seine Hände. Von der Zigarre, die im Elfenbein-Aschenbecher qualmte, stieg blauer Rauch in die Morgenluft hinauf.
    »Tòfol, Liebling, pass mal auf. Ich möchte dir bereits seit ein paar Tagen etwas sagen, und ich glaube, ich muss es jetzt tun. Hörst du mir zu?«
    Er nickte, während er spürte, wie ein Knoten ihm die Kehle abschnürte. Wenn Anna so anfing, waren es immer schlechte Neuigkeiten. Sie waren seit fünfzig Jahren zusammen, und er kannte sie.
    »Ich bin schwanger.«
    »Waaaas?!« Er hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, was Anna ihm sagen würde, aber daran hatte er ganz gewiss nicht gedacht. Das war absurd. Lächerlich. Völlig undenkbar. »Rede keinen Unsinn, Anna. Du bist fast achtzig Jahre alt.«
    »Nicht mehr«, sagte sie mit sanfter Stimme.
    »Bist du sicher, dass …?«
    »Natürlich.«
    Es entstand eine lange Pause, während der sie sich einfach nur in die Augen sahen: er nach unten, sie nach oben.
    »Gut. Dann werden wir es abtreiben müssen. Ich sehe keine andere Möglichkeit.«
    »Warum?«
    »Wie, warum?«
    »Ja. Warum? Jetzt sind wir jung, gesund, stark. Wir lieben uns. Wir haben mehr Geld, als wir in zehn Leben ausgeben können. Warum sollten wir uns versagen, dieses Kind zu bekommen?«
    Er saß eine Weile mit offenem Mund da, unfähig zu begreifen, dass sie nicht seiner Meinung war.
    »Weil du nicht einmal weißt, von wem es ist!«, explodierte er schließlich.
    Sie nahm seinen Kopf zwischen beide Hände und streichelte ihm über die Haare, wie sie es in kritischen Momenten immer tat.
    »Von wem soll es schon sein, Mann Gottes? Es ist unseres«, sagte sie sanft. »Deins und meins.«
    »Und ihrs«, presste Tòfol zwischen den Zähnen hervor. »Das Kind dieses schwarzen Pärchens, das wir gekauft haben, als wäre es ein Paar Schuhe, ohne an die Konsequenzen zu denken. Das ist ihre Rache.«
    »Red keinen Unsinn!« Anna stand gekränkt auf. »Dieses Kind ist meins. Und deins. Und es ist gekommen, wie Kinder kommen müssen: ganz natürlich. Ohne zahllose Besuche beim Gynäkologen in der Schweiz. Ohne dass wir alles Mögliche unternehmen mussten, wie bei Quim und Montse. Oder hast du schon vergessen, wie viel es uns gekostet hat, sie zu bekommen?«
    Tòfol vergrub seinen Kopf zwischen den Händen und blieb ganz still sitzen. Er blickte auf den Fußboden und wusste nicht, was er denken sollte.
    »Wir werden es bekommen«, fuhr Anna fort, »und wir werden ihm alles geben, was Eltern ihren Kindern geben können. Vielleicht ist es ja der Sohn, den du dir immer gewünscht hast. Vielleicht wird er die Leitung deiner Firmen übernehmen, denn auf Quim, das weißt du selber, hast du in dieser Hinsicht niemals zählen können. Genauso wenig wie auf deine männlichen Enkel.«
    »Ja, genau«, sagte Tòfol, ohne den Blick zu heben, seine Stimme war voller Verachtung. »Ein Schwarzer, der das Unternehmen leitet, das ich mein ganzes Leben lang aufgebaut habe.«
    »Im Augenblick leitet es ebenfalls ein Schwarzer, oder nicht?«
    »Aber das bin ich!«
    »Und du bist schwarz! Genau wie

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