Eine Trillion Euro
hören können, die wie Schläge einer Standuhr in der verschlossenen Seele der Kleinen dröhnten.
»Komm und iss etwas, Liebling«, rief Frau Jansson aus der Küche, als das Abendessen fertig war; heute hatte sie Fleischklöße und Stampfkartoffen gekocht, was zumindest vor Jahren noch das Lieblingsgericht des Mädchens gewesen war. Zwischen dem Porzellanklirren und Silbergeklingel des Tafelgeschirrs schlängelten sich ihre Worte bis zu den Ohren des Mädchens, aber es wäre ein kleines Wunder gewesen, wenn sie dieses oder ein anderes Mal eine sichtbare Wirkung hervorgebracht hätten.
Die Frau schnalzte müde mit der Zunge, ging zu ihr hin und nahm sie behutsam bei den Schultern. Als hielte ich einen Kleiderbügel, dachte sie unglücklich.
Die dicke Strickjacke, die Frau Jansson ihr vor ein paar Minuten angezogen hatte, lag wieder als Häuflein auf dem Fußboden. Wenn das so weiterging, würde sich das Mädchen eine ernste Lungenentzündung zuziehen. Sie schien gar nicht wahrzunehmen, dass Winter war und eisige Kälte herrschte. Sie stellte sich anscheinend vor, den heißesten Sommertag zu erleben! Armer, versponnener, unglücklicher Vogel, verirrt in seinen inneren Welten – war er vielleicht erschrocken gegen die harte Glasscheibe zwischen Wirklichkeit und Fantasie geflattert, ohne zu begreifen, wie er sich damit selbst verletzte?
In einem plötzlichen Aufwallen von Mitleid strich die Frau ihrer Nichte mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit über das Haar, das während der vergangenen Monate seine kaffeebraune Farbe verloren hatte, und versuchte einmal mehr, in ihren Augen einen kleinen Funken Anteilnahme zu entdecken, nur um die Kraft zu finden, weiterzumachen, zu lieben und verständnisvoll zu umsorgen, wie eine gute Tante es tun sollte. Aber die pfützentrüben Augen des Kindes (sie waren vor langer Zeit himmelblau gewesen, erinnerte sich Frau Jansson mit zitternden Wangen) schauten weit hinaus ins Leere oder vielleicht noch weiter, und wenn sie etwas sahen, dann jedenfalls nicht die kläglich weinende Frau oder den winterlichen Garten oder irgendetwas anderes in der Welt ringsum, die vor Trauer und Schmerz niedergedrückt war.
Max, Henry, Albin und die goldblonde Henrietta traben in großer Eile die Raketenfabrikstraße entlang.
Sie rennen, wie Kinder stets an so vollkommenen Sommertagen überallhin rennen, wenn die Schultore für immer geschlossen sind und die Sonne alle Farben zu unwirklicher Helligkeit verbrennt und die ganze Gegend aussieht wie ein etwas zu grelles und zugleich äußerst glückliches Gemälde ohne allen Schatten und Leid und dunkle Flecken.
Henrietta hinkt auf dem linken Bein, und es tut umso mehr weh, je schneller sie zu laufen versucht. Die dünnen sehnigen Beine der Jungen in den Kniebundhosen laufen allesamt zu schnell für Henrietta, als dass sie mit ihnen mithalten könnte, ohne vor Anstrengung das Gesicht zu verziehen. Immer werden die Jungenbeine fast unsichtbar, so schnell rennen sie, genau wie in den albernen Bugs Bunny-Trickfilmen, die der alte Sundstrom jeden dritten Sonntag in seinem Filmtheater zeigt.
Henrietta versucht verbissen, nicht an die Schmerzen im Bein zu denken, aber es macht sie mit aller Gewalt langsamer. Das ist so ungerecht. Henrietta will schneller werden, um die Jungen einzuholen. Sie denkt an geflügelte Pferde und versucht, auf der Kraft ihrer Gedanken zu fliegen wie das edle Ross Pegasus, aber das dumme Bein begreift nicht, es fängt sich in jeder Unebenheit der Straße!
Henrietta wagt nicht darum zu bitten, dass die Jungen auf sie warten. Sie will keine Aufmerksamkeit auf das dumme Bein ziehen, das sie zu einer jämmerlichen Kranken am Rockzipfel der Mutter machen will. Wenn ihr gemeiner Bruder Henry entscheiden dürfte, wäre sie schon vor Eiszeiten zur Mutter nach Hause geschickt worden. Sie darf nur mit der Bande zusammen sein, weil Albin, der charismatische, wundervolle Albin es sagt. Aber jeder weiß, dass auch Albin keine Jammerlappen duldet, und Henrietta will seine Gunst nicht aufs Spiel setzen.
Albin ist ein harter Kerl und gibt natürlich nichts zu, aber Henrietta denkt, der Junge mag sie immerhin ein wenig, vielleicht ist er sogar ein bisschen verliebt. Henrietta ihrerseits mag Albin sehr gern. Er sieht so gut aus in seiner braunen Jacke mit den glänzenden Knöpfen, die ihn aussehen lassen wie einen Hauptmann in einem großen Heer – ihm fehlt nur der Degen am Gürtel. Welch ein charismatischer Junge, rufen die Leute aus, wenn sie
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