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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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unsere Göre ja lieber zu Hause bleiben und Mama beim Heulen zuhören?«
    »Lass das sein, Henry«, schimpft Albin und bleibt mitten auf der Straße stehen.
    Die Jungen stieren einander an, und Henrietta findet, sie sehen aus wie zwei wütende Tiere vor einem blutigen Kampf. Ein Löwe und ein aufsässiger Wolf. Albin sieht Henry unverwandt an. Er trägt diese ernste Miene, die er immer aufsetzt, wenn bei ihm alle Zeichen auf Sturm stehen. Henrietta läuft dabei ein wohliger Schauer über die Haut.
    Sie stehen vor dem Metzgerladen. Zurzeit ist er laut Aushang nur eine Stunde am Tag geöffnet, morgens von sieben bis acht. Auch der Metzger geht in die Fabrik, seit dort Hochbetrieb ist, der Fabrikbesitzer benötigt jede verfügbare Hand.
    »Wir haben keine Eile, das Spukhaus rennt uns nicht weg«, sagt Albin. Seine Stimme klingt samtweich, aber keinem entgeht die Drohung, die hinter seinen Worten lauert, am wenigsten Henry. Der versucht vergeblich, sich zu behaupten, und muss schließlich die Augen abwenden.
    Henry brummt in sich hinein und tritt gegen die Mülltonne, sodass ein halb gegessener Apfel und ein Haufen Abfall auf die Straße kollern. Man sieht, er hasst es, Albin zu gehorchen, aber selbst er muss sich den nackten Tatsachen beugen: Albin hat Bizeps und Henry nicht, also führt bis auf weiteres Albin die Bande.
    Zu Hause hat Henry vor Henrietta geprahlt, wie er seine Muskeln trainieren wird – eines Tages wird er Albin einen solchen Schlag auf die Nase verpassen, dass ihm der Kopf abreißt und bis nach der Dreispringerstraße fliegt, wo die großen Rowdys dann mit ihm Fußball spielen. Henry hat auch gesagt, dass, nachdem er Albin den Kopf runtergehauen hat, er wahrscheinlich als Nächstes seine dumme hinkende Schwester hinrichten und ihren böse entstellten Leib in dem Ameisenhaufen hinter der Fahrradwerkstatt vergraben wird, da Henrietta doch Ameisen so sehr liebt.
    Doch Henrietta kann das nicht ernsthaft beunruhigen. Zwar sieht sie ihren Bruder hin und wieder Kraftübungen machen, doch sie scheinen keine Wirkung auf die Jungenarme zu haben, gegen die ein Schreitvogel geradezu fettleibig wirkt.
    Henrietta holt die anderen ein und lächelt Albin an. »Ihr braucht nicht auf mich zu warten«, sagt sie atemlos. »Ich renne genauso schnell wie ihr. Meine Schnürsenkel hatten sich nur gelöst.«
    »Ich habe nicht deinetwegen angehalten«, sagt Albin gentlemanlike. »Diese Rennerei ist einfach ein bisschen blöde. Wir sind zu alt, um überallhin zu rennen. Als ob wir nicht genauso gut gehen könnten. Gehen ist nicht so kindisch. Was soll überhaupt die Eile?«
    »Ja, klar, gehen wir eben«, keucht Max, dem das Sprechen schwer fällt und der Atem durch die geschwollenen Luftröhren pfeift, und Henrietta amüsiert sich: Klar findet Schweinsgesicht Max die Rennerei kindisch! Henrietta hat vielleicht ein etwas lahmes Bein, aber Max hat zwei dicke Beine, an denen die ganze Zeit über große Klumpen Fett zittern, als wären sie aus Tante Eulalias scharfem Minzgelee gemacht.
    »Hinkebein hat wohl Schiss in der Hose«, murmelt Henry leise. »Geh ab nach Hause, dann brauchste nicht zu bibbern.«
    »Ich hab keine Angst!«, sagt Henrietta ärgerlich. »Im Gegensatz zu dir. Du bist nur bis an die Tür gegangen, und ich erinnere mich genau, dass du bleicher warst als das in der Bleichlauge ersoffene Wiesel in unserem Hof.«
    Henrys Augen werden groß und rund und sein Gesicht blass, vielleicht aus Wut oder auch, weil mit der Erinnerung die Angst wiederkehrt. Vielleicht ist es beides. Henry hat nicht viel geredet, seit er neulich an der Tür des Spukhauses gewesen ist. Albin sagt, man soll ihn nicht drängen, er wird reden, wenn die Zeit dazu gekommen ist.
    »Hör zu, Henrietta, du brauchst die Mutprobe nicht heute zu machen«, sagt Albin. »Du kannst sie genauso gut morgen oder übermorgen machen oder wann immer du willst. Und ich weiß eigentlich nicht, ob’s eine so gute Idee ist, in das Spukhaus zu gehen. Dein Bruder ist bis an die Tür gegangen, und das ist hart genug. Da hätte alles Mögliche passieren können. Sogar ich selber würde nicht unbedingt allzu nah an das Haus rangehen. Weißt du, wir wissen nicht, was passieren kann. Wir wissen rein gar nichts über das Haus! Vielleicht frisst es die Leute oder dergleichen …«
    Albins Benehmen zeigt mehr und mehr Unsicherheit.
    »Aber klar werde ich hingehen«, sagt Henrietta und hofft, dass ihr die bösen Ahnungen, die eben noch auf sie einstürzten, nicht anzumerken

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