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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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dahinzusiechen und darauf zu warten, dass mir die Pfleger täglich einen Topf unter den Hintern schieben. Ich hatte mich entschieden, abzutreten; friedlich und glücklich und mit einer Erfahrung, vor der neunzig Prozent der Menschen eine urzeitliche Furcht haben und die die restlichen zehn Prozent neiderfüllt in den Nachthimmel blicken lässt.
    Was die vermeintliche Perversion des Projekts betrifft: Nekrokaustie ist die älteste Bestattungsform der Welt. In Indien und Nepal werden die Leichen der Familienmitglieder von den Angehörigen mit Butter bestrichen und danach verbrannt. Das Feuer, so lehrt es die indische Religion, befreit die Seele vom Körper. In dieser Kultur ist es sehr wichtig, dass der Kopf noch bei der Verbrennung explodiert. Falls dies nicht geschieht, müssen die Angehörigen ihn mit einem Stock zertrümmern. So haben sie die Hoffnung auf eine Wiedergeburt oder den Zugang zum Paradies. Die Asche wird in heilige Gewässer gestreut, damit die Sünden weggewaschen werden. Allein in Indien werden pro Jahr fast 2.000 Tonnen Überreste von verbrannten Leichen in Flüsse geworfen.
    Würde man die Asche aller Leichen, die in den vergangenen fünftausend Jahren verbrannt wurden, an einer Stelle ins Meer schütten, entstünde eine neue Insel so groß wie Island. Aus den aufeinander gestapelten Urnen, die in diesem Zeitraum beigesetzt wurden, ließe sich ein Turm errichten, der bis hinaus zum Uranus reicht.
    Meine Entscheidung, im Orbit zu verglühen, war keine Feigheit, ganz gewiss nicht. Das wird jeder feststellen, sobald er hier oben ist.
    Für viele Menschen bleibt ein Raumflug eine spirituelle Erfahrung. Nicht die talentierteste Horde von Psychologen konnte einen darauf vorbereiten. Der Anblick des blauen Planeten, die vermeintliche Nähe Gottes … Daran haben selbst Atheisten gewaltig zu knabbern.
    Falls der Slider -Pilot es nicht bereits vorher manuell vorgenommen hatte, aktivierte der Bordcomputer nach zweiundsiebzig Stunden im Orbit automatisch den deorbit burn. Drei Tage – das war verdammt viel Zeit, um seine Todesabsichten zu bereuen. Nicht wenigen machte zusätzlich die Einsamkeit zu schaffen. Es soll Fälle gegeben haben, wo die Piloten versucht hatten, den Computer kurzzuschließen, um den Countdown für den Wiedereintritt abzubrechen, oder vor dem deorbit burn eine der Raumstationen anzufliegen. Einige hatten sogar versucht, das Shimizu oder ein anderes Weltraum-Hotel zu erreichen. Geschafft hatte es keiner. Die meisten Orbital-Hotels wie das Astrostar oder das Berlin befanden sich auf einer viel zu hohen Umlaufbahn.
    Ein Flug mit dem Slider war etwas für Menschen, die es vorzogen, einsam zu sterben.
    Und nun diese Stimme: »Sie können dich nicht hören, Vincent … «
    Für Sekunden schwebte ich stocksteif im Cockpit. Dann wandte ich mich vom Fenster ab und starrte auf die Konsole. Die Stimme hatte synthetisch geklungen, fast wie die eines Sprachcomputers.
    »Wer sind Sie?« Die Worte hörten sich in meinen Ohren ungewohnt dumpf an. »Von wo aus sprechen Sie? Aus Kourou? Oder Canberra? Verlassen Sie diese Frequenz!« Stille und leises Rauschen. Ich leckte mir nervös über die Lippen. »Wer sind Sie?«, wiederholte ich.
    »Die korrekte Frage müsste lauten: Was sind Sie?«
    Ich atmete schwer. »Okay, also: Was, zum Teufel, sind Sie?«
    »Ah, Kompliment!« Erneut Stille, dann: »Meine offizielle Bezeichnung lautet O-SIL I. Die Allgemeinheit nennt mich jedoch Scraphead.«
    »Großer Gott …«
    Die Reaktion war eine rasche Folge von Klingeltönen, die fast wie ein Lachen klang. »Ich bin keine Religion, Vincent. Lediglich Wissenschaft und Technik. Schau aus dem Fenster. Ich gebe dir ein Zeichen.«
    Die Luft roch plötzlich künstlich und muffig. Ich drehte mich zum Deckenfenster hin und sah nach draußen. Weit über mir blitzte in kurzen Intervallen ein Lichtpunkt auf. Er leuchtete an jenem riesigen Ding, das über den Sammlern schwebte.
    Die Sammler gehörten zur Rückseite der Medaille. Seit dem Start des Sputnik hatten allein Russen und Amerikaner über 5.000 Trägerraketen gestartet. Zusammen mit denen der Chinesen, Europäer, Inder, Japaner und Australier summierten diese sich heute, über siebzig Jahre später, auf fast 13.000 Raketenstarts. Jeder von ihnen belastete den Orbit mit ausgebrannten Raketenstufen, ausgebrannten Treibstofftanks, abgesprengten Batterien und unzähligen Kleinstpartikeln. Beim Zünden der Raketen wurden Aluminiumoxid-Teilchen freigesetzt und nach dem Start

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