Eine unbeliebte Frau
Mörder nicht sehr viel näher gekommen«, bemerkte Frank Behnke. »Meine Lieblingskandidaten Kerstner und Teddy können es nicht gewesen sein.«
»Abwarten«, Bodenstein erhob sich. »Ich werde jetzt erst mal mit Anna Lena Döring reden, und ich wette, da erfahren wir genau das, was wir noch nicht wissen.«
Er sollte recht behalten. Anna Lena Döring, blass, aber entschlossen, präsentierte Bodenstein und Pia einen ganzen Stapel von Kopien, die Dörings dunkle Machenschaftendokumentierten, angefangen bei schwarzen Lohnlisten über geheime Telefonnummern bis hin zu Schwarzgeldkonten in beinahe jedem Steuerparadies der Welt. Bodenstein blätterte die Kopien durch.
»Weshalb waren Sie so sicher, dass diese E-Mail, die Ihr Mann von Brault erhalten hat, etwas mit Marie Kerstner zu tun hatte?«, fragte er.
»Weil ich ähnliche E-Mails gelesen habe, in denen es jedes Mal um Menschenschmuggel ging.« Anna Lena Döring registrierte die überraschten Blicke, dann holte sie tief Luft und begann zu erzählen. Bodenstein und Pia hüteten sich, sie zu unterbrechen.
»Die LKW meines Mannes fahren selten ohne Ladung und ganz sicher niemals, wenn sie aus dem Nahen Osten, aus Osteuropa oder Marokko kommen. Hin und wieder werden die Fahrer geschnappt, aber sie werden gut genug bezahlt, um sich dumm und stumm zu stellen. In achtundneunzig Prozent aller Fälle geht es ohnehin gut. In Belgien existiert eine Firma namens Cargotrans S.A., die offiziell einer Frau namens Magalie Deslauriers gehört, aber in Wirklichkeit steckt mein Mann dahinter. Es gibt kein Firmengebäude und auch keine LKW sondern nur eine Briefkastenadresse in Genk. Über Cargotrans werden Aufträge abgewickelt, die es eigentlich nicht gibt. Cargotrans stellt Rechnungen an die Spedition Döring, und Döring überweist das Geld, oder auch umgekehrt. Eigentlich überweist mein Mann dieses Geld jedes Mal an sich selbst. Schwarzgeld wird weiß. Geld aus Menschenhändlergeschäften wird mit einem Mal zu legalem Geld. Ganz einfach. Aus diesem Grund betreibt er zig solcher Firmen in Holland, Belgien, Luxemburg und Gibraltar, aber auch in Übersee. Friedhelms Sohn Philipp organisiert alles, was in die USA und nach Kanada geht, von Buenos Aires aus. Für den Transport eines Menschen von Pakistan oderRumänien nach Amerika gibt es fünfzigtausend Euro. Davon kriegen die Schleuser einen geringen Teil, aber der Rest gehört ihm. Philipps angebliche Filmgesellschaft bringt auf illegalem Wege Hunderte von jungen Frauen aus dem Osten und Asien nach Deutschland. Sie glauben an eine Filmkarriere und Freiheit, aber hier landen sie alle in irgendwelchen Puffs als Prostituierte.«
»Welche Rolle spielt Hans Peter Jagoda?«, fragte Pia.
»Die JagoPharm«, mischte sich nun Florian Clasing ein, »war von vorne bis hinten Betrug pur, eine Seifenblase, denn nicht ein einziges Mal wurde eine wirkliche Leistung erbracht. Eine Geldwäschefirma. Allerdings hatte niemand damit gerechnet, dass es so eine erfolgreiche Seifenblase werden würde. Sie machten riesige Gewinne, weil sich Investoren und Analysten erstaunlich lange mit Prognosen und Wachstumsstrategien zufriedengaben. Als sie irgendwann Fakten sehen wollten, ging es bergab. Jagoda und Döring hatten ihren Einsatz durch den Börsengang längst verhundertfacht und wieder aus dem Geschäft gezogen, das Geld wurde ins Ausland verschoben.«
»Ach«, machten Bodenstein und Pia wie aus einem Mund.
»Mein Schwager wollte die JagoPharm fallenlassen«, führte Clasing weiter aus, »aber Jagoda hatte sich in die Idee verrannt, wirklich ein Star am Neuen Markt zu sein. Er gefiel sich in seiner Rolle. Das Ansehen, das Medieninteresse, der Rummel um seine Person, das brauchte er. Plötzlich wollte er die JagoPharm auf solide Füße stellen, aber da spielte Friedhelm nicht mit. Die beiden haben zusammen ein paar Leichen im Keller, damit hat mein Schwager Druck auf seinen Geschäftspartner ausgeübt.«
»Woher wissen Sie das denn alles?«, fragte Pia.
»Ich verfolge seit Jahren die Aktivitäten meines Schwagers«, Clasing zuckte die Schultern. »Ich habe Freunde an derBörse, außerdem habe ich diese Unterlagen geprüft und etwas kombiniert. Ich weiß nur noch nicht, was für ein Druckmittel Döring gegen Jagoda in der Hand hat.«
»Das wissen wir aber«, erwiderte Bodenstein und lächelte, als er die Verblüffung in den Gesichtern von Dr. Clasing und seiner Schwester sah. »Ich glaube, Sie, Frau Döring, wissen das auch.«
»Wie bitte?«,
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