Eine unbeliebte Frau
geschmiedet hatte. War der Ort mit Bedacht gewählt worden, weil ihn hier genügend Leute in dieser erniedrigenden Lage sehen würden? Der Verweis auf das Bibelzitat ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich bei dem oder den Tätern um einigermaßen gebildete Menschen handeln musste. Jemand hatte sich an Friedhelm Döring gerächt, jemand, der wusste, dass er auf Gut Waldhof bekannt war. Reitlehrer Kampmann hatte nichts gehört oder gesehen, weil sein Schlafzimmer zur anderen Richtung des Hauses ging.
Bodenstein fiel auf, dass der Reitlehrer schlecht aussah und außerdem abgenommen hatte, seitdem er ihn das letzte Mal gesehen hatte.
»Herr Kampmann«, wandte er sich an den Mann, »wussten Sie eigentlich, dass Isabel Telefongespräche mit Ihnen aufgezeichnet hat?«
»Was für Telefongespräche?« Kampmann sah ihn verwirrt an.
»Wir haben den Inhalt auch nicht verstanden«, Bodenstein musterte den Mann scharf. »Vielleicht können Sie uns erklären, worum es ging.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, Kampmanns Blick flog hinüber zu seiner Frau, die ein paar Meter entfernt mit zwei anderen Frauen in Reithosen und Stiefeln sprach, ihn aber nicht aus den Augen ließ.
»Sie haben Pferde an Ihre Kunden verkauft, dabei hatIhnen Frau Kerstner geholfen«, half Bodenstein ihm auf die Sprünge.
»Pferde verkaufen gehört zu meinem Job«, klärte Kampmann ihn auf, aber er war plötzlich auf der Hut.
»Das glaube ich Ihnen«, Bodenstein nickte. »Nur wenn ich das richtig verstanden habe, dann haben Sie minderwertige Pferde für sehr viel Geld verkauft.«
Der Reitlehrer wurde noch eine Spur blasser, als er es ohnehin schon war, aber seine Miene blieb ausdruckslos.
»Kann es sein, dass Sie das Vertrauen Ihrer Kunden ausgenutzt und sie betrogen haben?«
»Ich habe niemanden betrogen«, widersprach Kampmann entschieden. »Meine Kunden sind zufrieden. Wären sie sonst seit Jahren bei mir im Stall?«
»Da mögen Sie recht haben«, sagte Bodenstein, »aber vielleicht war Frau Kerstner nicht mehr ganz so zufrieden. Ich vermute, sie hat ein doppeltes Spiel gespielt, indem sie von Ihnen Provisionen kassiert hat, Ihnen später aber damit gedroht hat, Ihre Betrügereien auffliegen zu lassen.«
Bodenstein bemerkte ein winziges, erschrockenes Flackern in Kampmanns Augen, sein Mund zuckte in einem Anflug von Panik. Er hatte voll ins Schwarze getroffen. Auf ein Zeichen von Pia ließ er den Mann stehen, allerdings mit der Ankündigung, auf die Sache zurückzukommen.
»Was gibt's?«, erkundigte Bodenstein sich.
»Ostermann hat gerade angerufen«, sagte Pia. »Jagoda ist zu einer Aussage bereit, und Maurice Brault wurde an der Grenze in der Nähe von Aachen festgenommen.«
»Sehr gut«, Bodenstein nickte und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Jagoda kann warten. Ich fahre erst noch mal zu Rittendorf. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wenn mich nicht alles täuscht, bezieht sich das auf Kerstner und Frau Döring.«
Rittendorf und Inka Hansen waren gerade gemeinsam mit der Behandlung eines Pferdes beschäftigt, als Bodenstein den Hof der Pferdeklinik betrat. Bei Inkas Anblick schoss sein Adrenalinspiegel augenblicklich in die Höhe, aber er setzte eine undurchdringliche Miene auf. Beim Näherkommen bemerkte er einen raschen Blick des Einverständnisses, den die beiden wechselten, und er ahnte, dass sie über ihn gesprochen hatten.
»Oh, hallo«, Rittendorf grinste ohne große Begeisterung. »Sie schon wieder. Wollen Sie vielleicht ein Praktikum bei uns machen?«
»Guten Morgen«, Bodenstein blieb ernst, »vielleicht. Wäre mal eine Abwechslung.«
Rittendorf richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Pferdebein und legte einen fachmännischen Verband an.
»Was führt dich hierher?«, erkundigte sich Inka sachlich. Bodenstein spürte, dass sich sein unsinniger Wunsch, die Zeit zurückzudrehen, in Luft aufgelöst hatte.
»Ich muss kurz mit Dr. Rittendorf sprechen«, sagte er. Der gab gerade dem Pferdebesitzer noch ein paar Verhaltensmaßregeln mit auf den Weg und drehte sich dann zu Bodenstein und Inka um.
»Also?«, er zündete sich eine Zigarette an. »Was gibt's?«
»Wo waren Sie gestern Nacht?«, fragte Bodenstein. »Gestern Nacht?«, der Tierarzt tat verwundert. »Können Sie den Zeitrahmen etwas eingrenzen?«
»Allerdings. Zwischen ein und fünf Uhr morgens.«
»Da war ich zu Hause.«
»Zeugen?«
Ein spöttischer Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Tierarztes.
»Meine Frau.«
»Ihre Frau scheidet als Zeugin
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