Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)
E-Mailverkehrs. In Vorbereitung dieser Maßnahme plane man, in Kürze alle Verschlüsselungsprogramme zu verbieten sowie ihren Besitz und auch das Selbstprogrammieren derartiger Mechanismen unter Strafe zu stellen.
Dann sah er auf die Uhr und erklärte mit einem flüchtigen Lächeln: »Ich kann Ihnen ferner mitteilen, dass in diesen Minuten Polizeikräfte in allen Bundesländern in einer gemeinsamen Aktion losschlagen, um einen großen Ring von Schwarzverlegern zu zerschlagen. Diese haben nach unseren Erkenntnissen Bücher in illegalen Kleinauflagen hergestellt und Verträge mit Autoren geschlossen, die völlig am AuArSch-Gesetz vorbeigehen – Autoren wie zum Beispiel Peter Eisenhardt …«
Eisenhardt, der in diesem Moment vor dem Fernseher saß, fuhr so erschrocken hoch, dass er auf die Aus-Taste der Fernbedienung kam. In die abrupte Stille hinein hörte er ein Martinshorn, das schnell näher kam. Nichts wie weg! Im Nu war er in den Schuhen und aus der Wohnung.
Erst als er die belebte Innenstadt erreicht hatte, hielt er keuchendinne. Was war hier los? Keine Schlangen vor den Buchhandlungen? Keine Sperrgitter, Ausgabetheken, Wachleute? Niemand, der an der Kasse einen Ausweis vorlegte? Stattdessen allgemein zugängliche Buchregale, lesende Menschen, eine ruhige, freudige Atmosphäre.
Und da – der neue Harry Potter! Das unerschwinglichste Buch der Welt! Hunderte von Gedichtbänden, Weltkriegserinnerungen, Biografien pensionierter Oberstudienräte und experimentelle Literatur hätte man kaufen müssen für das Recht, eines der vierzigtausend zugelassenen Exemplare zu erwerben. Und hier stand eine ganze Palette davon, ja, war sogar – kaum zu glauben – erst zur Hälfte abgetragen!
Mit zitternden Händen nahm Peter Eisenhardt einen der Bände vom Stapel, trug ihn zur Kasse und fragte leise: »Kann ich das kaufen? Einfach so?«
Die Kassiererin musterte ihn befremdet. »Wenn Sie genug Geld dabei haben, sehe ich kein Problem.«
Er brauchte noch eine Weile, ehe er glauben konnte, dass alles nur ein böser Traum gewesen war. Auf der Heimfahrt in der Straßenbahn las er sich in den ersten Kapiteln fest, und als er ausstieg, waren ihm ein paar Ideen gekommen, wie er seine Figuren plastischer machen und die Spannung im Mittelteil aufrechterhalten konnte. Als er wieder am PC saß, sagte er sich: »Ich werde jetzt einfach das beste Buch schreiben, das ich je geschrieben habe.«
Und er war so glücklich wie schon lange nicht mehr.
© 2005 Andreas Eschbach
Sprachschnittstelle
Als Nächstes folgt eine kleine experimentelle Story, die ich 1995 geschrieben habe. Damals kamen die ersten Spracherkennungssysteme auf den Markt. In unserer jungen Firma experimentierten wir gerade mit einem System, das im Stande war, Befehle wie »Öffnen« und »Schließen« und »Excel« zu verstehen. Nettes Spielzeug. Aber es stellte sich im Nu heraus, dass diese Art der Computerbenutzung ganz schön schnell ganz schön nervig werden kann, selbst wenn nur zwei Personen im selben Büro sitzen. Der eine telefoniert mit einem Kunden, während der andere mit seinem PC redet? Das will niemand wirklich.
Ich fragte mich, wie sich solche Systeme – sollten sie einmal annähernd so funktionieren, wie es die Hersteller versprachen – auf das Schreiben von belletristischen Texten auswirken würden. Wobei ich natürlich kein solches System benutzte, sondern die Tastatur und meine Finger in völlig herkömmlicher Weise … aber ich redete beim Schreiben vor mich hin und versuchte, so schnell wie möglich zu tippen, um zumindest dem Effekt nahezukommen, den eine solche Technik haben mochte. Und ließ meiner Fantasie freien Lauf …
Nun, wie sich inzwischen gezeigt hat, wird es wohl nicht so kommen.
Einstweilen jedenfalls.
Hallo, hallo, da sind wir wieder, wieder da in unserer kleinen wöchentlichen Kolumne, und wieder haben wir das allwöchentliche Problem: Wie füllen wir sie? Was wird uns diesmal einfallen? Mal sehen, was ist denn grade so angesagt – der zehnte Jahrestag des Kriegsausbruchs im ehemaligen Jugoslawien, ja ja, alles redet davon, also ist das kein Thema für uns, denn wenn alle davon reden, dann reden wir lieber von etwas anderem, nicht wahr? Tja, also, was dann? Die großeZweitausenderfeier ist schon ein Jahr her, prima, will keiner mehr was davon wissen, alles hat sich schon daran gewöhnt, dass man die Jahreszahlen wieder eher vierstellig schreibt, weil das Jahr Null oder Eins doch einfach seltsam aussieht. Vielleicht
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