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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Entsetzen.
    »Das kann man wohl sagen«, sagte Arnesen verärgert. »Das ist in jeder Hinsicht falsch.«
    »Aber was hat er gesagt?«, fragte Astrid. »Dieser Dr. Mikkelsen. Was hat er gesagt?«
    Arnesen musste einen Moment nachdenken.
    »Er war ziemlich kurz angebunden. Und dabei fast ein wenig zu heiter. Er hörte sich sehr jung an, und ich dachte noch, er kommt vielleicht gerade frisch vom Examen. Er hat nicht viel gesagt, nur die Adresse genannt. Und natürlich den Namen. Er hat gemeint, Herr Landmark sei sehr lange krank gewesen, mit dem Tod habe man schon gerechnet. Ich habe nach dem Schein gefragt. Ob er uns den mit der Post zuschicken könnte, und er sagte ja, den schicke ich mit der Post.«
    »Den Schein?«
    »Den Totenschein«, erklärte Arnesen. »Den brauchen wir natürlich, ehe wir tätig werden können. Die Ärzte schicken ihn oft mit der Post.«
    Astrid sammelte ihre letzten Kraftreserven, um wieder ins Haus zurückzugehen.
    »Wir müssen das zur Anzeige bringen«, sagte Arnesen. »Und zwar sofort.«
    »Können Sie das bitte für mich erledigen?«, bat sie. »Ich muss zurück zu meinem Mann.«
    Er saß am Fenster. Das Gesicht wurde im Abendlicht gebadet und sah blasser aus als sonst.
    Arnesen ließ den Motor an, blieb aber in der Einfahrt stehen. Der Motor war kaum zu hören, es war nur ein leises, unheilverkündendes Brummen.
    »Was sollte das denn?«, fragte Helge Landmark.
    Astrid sah ihn verzweifelt an.
    »Da hat jemand bei denen angerufen«, erklärte sie. »Aber es war nur ein schlechter Scherz. Wir werden Anzeige erstatten, aber du erinnerst dich doch, es gab in letzter Zeit doch mehrere solcher Fälle, die falschen Todesanzeigen und so. Das stand in der Zeitung. Und dann dieses Baby draußen in Bjerketun, weißt du noch? Das sind bestimmt dieselben. Irgendwelche Bengels, die sich einen Jux erlauben.«
    Sie stand vor ihm und sah ihn hilflos an. Sie konnte nicht erklären warum, aber sie fühlte sich von ihm angegriffen. Als hätte sie diesen geschmacklosen Scherz veranlasst. Jetzt ist alles vorbei, dachte sie mutlos, jetzt ist der Tod ins Haus gekommen. Dieser Gast, über den wir bisher nie gewagt haben zu sprechen.
    Helge Landmark holte Luft, denn er wollte etwas sagen. Sie sah, dass ihn das anstrengte.
    »Ich hätte ja auch gleich mitfahren können«, sagte er bitter. »Das wäre doch so viel einfacher gewesen.«
    Dann stieß er sonderbare Laute aus, ein leises Keuchen. Helge Landmark lachte. Und dieses Lachen klang so schrecklich, dass es Astrid Angst einjagte. Sie wusste genau, was sie zu tun hätte. Ihm beteuern, dass sie ihn noch brauchte. Und das war auch der Fall. Sie brauchte Helge Landmark, den Flugzeugmechaniker, den hochgewachsenen breitschultrigen Mann, den sie mit neunzehn kennengelernt und dann geheiratet hatte. Was sie nicht brauchte war diese Elendsgestalt im Rollstuhl. Die Krankheit hatte sich überall eingeschlichen, sie saß in den Wänden und in den Räumen. Ein Toilettenstuhl im Badezimmer. Eine Bettpfanne im Schlafzimmer. Eine Tablettenbox in der Küche. Das Letzte, was sie abends vor dem Einschlafen sah, war sein Rollstuhl. Die großen grauen Gummiräder erinnerten sie an eine Turbine, die sie unerbittlich in die Tiefe zog und in wildem Tempo herumschleuderte, bis sie nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Und das Erste, was sie morgens beim Aufwachen sah, waren ebenfalls diese Räder.
    »Warum fahren sie denn nicht los?«, fragte sie ängstlich.
    Der Wagen stand noch immer in der Einfahrt.
    »Er telefoniert«, sagte Helge. »Vermutlich ruft er die Polizei an.«
    Er hielt sein Gesicht dicht an die Fensterscheibe.
    »Sieh dir mal das Auto an«, sagte er. »Das ist eine Limousine.«
    Beide sahen aus dem Fenster.
    »Hol sie rein«, sagte Helge plötzlich.
    Astrid sah ihn ängstlich an.
    »Was soll ich?«
    »Du sollst sie reinholen«, wiederholte Helge. »Ich habe etwas zu sagen.«
    »Aber Helge«, beschwichtigte sie ihn. »Sie können doch nichts dafür. Sie sind angerufen worden.«
    Da sah er sie flehend an. Berührte ungeschickt ihren Arm. Schon lange hatte sie nicht mehr so viel Engagement bei ihm gesehen. Als wäre er plötzlich zum Leben erwacht.
    »Kannst du mir bitte diesen Gefallen tun? Du hast gesunde Beine, kannst du dich bitte beeilen, bevor sie losfahren?«
    Astrid stürzte aus dem Haus. Die Männer waren gerade im Begriff loszufahren. Fragend sahen sie durch das Autofenster, dann glitt es langsam herunter.
    »Er möchte mit Ihnen reden«, sagte sie

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