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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Spiel. Dann schob er das Moped auf die Straße und ging ein ganzes Stück zu Fuß, ehe er schließlich den Motor anließ. Und dann gab es nur noch den Fahrtwind im Gesicht, die Tränen in den Augen und den Jubel im Herzen!
    Seine Mutter war noch nicht zurück, als er auf den Hof fuhr.
    Er ging in sein Zimmer, öffnete den Käfig und nahm Butch mit in sein Bett. Butch war kleiner als Bleeding Heart und runder, aber er zitterte genauso, wie es das Meerschweinchen getan hatte. Er ließ den Hamster über die Decke krabbeln, und ehe er bis drei zählen konnte, hatte Butch winzig kleine Köttel auf der Decke hinterlassen. Die waren trocken und hart und leicht aufzusammeln. Vielleicht sollte ich sie aufbewahren, überlegte er, damit ich sie ins Essen von der Hyäne mischen kann. Danach schlich er in das Schlafzimmer seiner Mutter. Lange starrte er auf ihre Sachen und das Chaos. Hier haust also die Hyäne, sagte er sich, das ist ihr Bau. Ich besorge mir ein Fuchseisen, dachte er dann, und das stelle ich vor deiner Tür auf. Dann trittst du direkt in die Falle, wenn du aufstehst und aus dem Zimmer stolperst. Und musst das Fuchseisen hinter dir herziehen, bis das Eisen verrostet und dein Fuß verfault ist.
    Und dein Geheul wird im ganzen Askelandsfeltet zu hören sein.
    Er ging hinaus, zog die Tür hinter sich zu und ging ins Wohnzimmer. Er beschloss, ein Video zu sehen, stand eine Weile vor dem Regal und entschied sich schließlich für einen Horrorfilm namens »The Living and the Dead«. Er machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Der Film hatte einen verheißungsvollen Untertitel.
    »Ein albtraumartiger Abstieg in die Hölle.«

S ie hieß Astrid Landmark und war gerade dreiundfünfzig geworden. Ihr Mann Helge war neunundfünfzig, aber er wirkte viel älter, so, wie er in seinem Rollstuhl saß. Sie hatte ihn vor den Fernseher geschoben, aber er verfolgte die Sendung gar nicht, sondern döste vor sich hin im bläulichen Flimmerlicht, das ihn todesblass machte.
    Astrid hatte ihm den Rücken zugekehrt. Sie war mit der Bügelwäsche beschäftigt. Es fiel ihr schwer, ihm in die Augen zu sehen, die Lähmung setzte ihren Weg unerbittlich durch seinen Körper fort. Bald würde er nicht mehr schlucken, sprechen oder atmen können. Das wussten sie beide, sie kannten den Verlauf der Krankheit bis ins kleinste Detail. Die Todesangst hatte ihn mit ihren Krallen gepackt, doch seine Muskeln hatten keine Kraft mehr, sich zur Wehr zu setzen. Sie konnte das kaum ertragen. Sie wusste nicht, wohin sie ihren Blick wenden oder was sie sagen sollte. Fast jedes Gesprächsthema war heikel geworden, nichts konnte angesprochen werden. Wörter wie Frühling oder das nächste Weihnachtsfest waren unmöglich geworden, denn es würde kein nächstes Mal geben. Es hätte vieles gegeben, worüber sie eigentlich sprechen müssten, wichtige Dinge, die mit seinem Tod und dem Begräbnis zu tun hatten. Und was würde aus dem Ferienhaus im Blefjell werden, das sie aus purem Jux den Schuldturm getauft hatten, weil es so teuer gewesen war? Sollte sie es behalten? Würde sie das Haus in Stand halten können, würde sie den Rasenmäher starten und im Winter mit der Schneefräse umgehen können? Wer sollte das Haus neu streichen? Und die Obstbäume mussten beschnitten werden. Ihr war glühend heiß, während sie da mit dem Bügeleisen hantierte. Streng genommen hätte sie gar nicht bügeln müssen, denn sie hatte die Hemden aus dem Trockner geholt und sie waren weich und glatt. Aber sie verrichtete gerne solche Arbeiten, dann wirkte sie beschäftigt. Und solange sie zu tun hatte, verhielt er sich ruhig, und die Wahrheit, die entsetzliche Wahrheit, konnte verschwiegen werden. Solange sie bügelte, fühlte sie sich sicher, denn er würde sie nicht belästigen. Danach musste sie schnell in den Keller, um die nächste Waschmaschine aufzusetzen. Sie hatte sich außerdem noch vorgenommen, Brot zu backen, das Fenster in der Haustür zu putzen und die Küche zu fegen. Das alles, während er im Rollstuhl saß. Während die Angst in ihm prickelte wie Ameisen. Als sie sich endlich neben ihn in einen Sessel setzte, spürte er ihre Verzweiflung, und auch die konnte er nicht ertragen. Als er sie schließlich bat, ihn für die Nacht fertig zu machen, hatte sie eine Stunde für sich, allein im Halbdunkel. Er weinte lautlos, mit dem Gesicht zur Wand, während sie schluchzend vor dem Fernseher saß.
    Sie hängte die frischgebügelten Hemden auf Kleiderbügel. Sie hörte, dass er sich

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