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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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räusperte und würgte, vielleicht hatte er zu viel Schleim in der Luftröhre. Aber er hatte keine Kraft, ihn abzuhusten, deshalb blieb der Schleim in seinem Hals stecken. Das Röcheln störte sie, es war ein ekelhaftes Geräusch. Man hätte meinen können, er sei hundert und nicht neunundfünfzig. Sie sackte ein wenig in sich zusammen. Sie musste doch stark und aufopfernd sein, sie musste bis zu seinem Tod neben ihm ausharren, unermüdlich, sanft und geduldig. Aber sie konnte das nicht mehr. In ihr existierten Seiten, von denen sie nichts geahnt hatte, und die kamen jetzt wie giftige Ungeheuer zum Vorschein. Sie verfluchte Gott und das Leben, sie verfluchte sich und ihre Schwächen, und sie verfluchte den Tod. Aber das Schlimmste war, dass sie in den dunkelsten Stunden auch ihren Mann verfluchte, Helge, den diese Krankheit befallen hatte, diesen elenden Verfall. So hatten sie sich das nicht vorgestellt. Er war immer groß und stark gewesen, er hatte gelacht und gescherzt und alles geregelt. Jetzt saß er da mit unbrauchbaren Beinen und seine Haut sah nicht mehr aus wie Haut, sondern wie ein altes Wachstuch. Nachdem sie diese Gedanken zugelassen und sich ihr eigenes Elend und ihre grenzenlose Feigheit eingestanden hatte, ging es ihr noch schlechter. Wenn er nun wusste, wie es um sie stand und was sie wirklich dachte? Konnte er es spüren, konnte er es riechen? Hing ihr Verrat im Wohnzimmer wie ein Nebel, hörte er ihn in den Ecken tuscheln? Sprach er deshalb nicht mehr mit ihr, obwohl er noch reden konnte?
    Welche Gedanken gingen ihm durch den Kopf?
    Wenn ich tot bin, bringen sie mich ins Kühlhaus, Astrid, da muss ich dann tagelang liegen bleiben. Meine Wangen werden hart und kalt wie Stein. Danach werde ich verbrennen, Astrid, bei zweitausend Grad. Es ist so heiß, dass sich meine Knochen im Sarg krümmen. Ich habe so eine Angst, Astrid, kannst du das nicht beenden, kannst du nicht ein Wunder geschehen lassen? Kannst du mir nicht auf die Wange schlagen und sagen, jetzt musst du aber aufwachen, Helge, das war nur ein Albtraum?
    Sie zog ein weiteres Hemd aus dem Stapel.
    Es war blau und hatte einen weißen Kragen und weiße Manschetten, eins seiner schönsten. Sie bügelte es nach allen Regeln der Kunst, obwohl sie genau wusste, dass es nie wieder angezogen werden würde, es war so umständlich mit den vielen kleinen Knöpfen. Sein Röcheln war verstummt, aber die Stille gefiel ihr auch nicht. Sie drehte sich um und sah, dass sein Kopf auf seine Brust gesunken war, als ob er schliefe. Vielleicht ist er tot, fuhr es ihr durch den Kopf, und ich habe gar nichts bemerkt. Dann aber hörte sie, dass er mit etwas auf dem Tisch beschäftigt war, vielleicht mit der Fernbedienung. Er wollte vermutlich den Sender wechseln, es gab viele Sendungen, die er nicht ertragen konnte. Er konnte Lachen und Rufe oder lärmende Musik nicht ertragen. Ihm war nur die Ernsthaftigkeit geblieben. Seine Welt war zu einem dunklen Tunnel geschrumpft und dort gab es nur Platz für ihn, für seine Angst, für den Schmerz und die Trauer.
    Sie sah aus dem Fenster. Sie hatte draußen ein Geräusch gehört, ein Auto, das unendlich langsam fuhr. Einige Sekunden lang stand es vor der Einfahrt, dann fuhr es weiter, aber nur ein Stück. Sie reckte den Hals, der Wagen wollte offenbar rückwärts in die Auffahrt fahren. Was sollte das denn nun, sie erwarteten doch niemanden, außerdem war es ein ganz seltsames Auto. Angestrengt starrte sie aus dem Fenster. Träume ich, fragte sie sich, das kann doch nicht wahr sein. Ein großer schwarzer Wagen mit einem Kreuz auf dem Dach hielt vor dem Haus. Sie wäre fast in Ohnmacht gefallen. Sie musste sich auf das Bügelbrett stützen und sie starrte entsetzt zu ihrem Mann Helge, denn auch er hatte das Auto gehört. Das leise gleichmäßige Brummen des Motors. Die Reifen auf dem Kies. Eine Tür, die zuschlug. Astrid Landmark geriet in Panik. Sie begriff nicht, was da vor sich ging, nur ein einziger Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Helge durfte das Auto auf keinen Fall sehen. Er wurde unruhig, legte die Hände auf die Räder, er wollte keinen Besuch, niemand sollte ihn in seinem Elend sehen. Astrid trat ans Fenster. Vielleicht hatte sie sich geirrt, vielleicht war das irgendeine Werbung auf dem Dach – ein Missverständnis. Aber es war unverkennbar ein Kreuz. Es war unverkennbar ein Leichenwagen. Ein Mann in einem dunklen Anzug hatte die Hecktüren geöffnet, jetzt sah er zum Haus. Er wirkte konzentriert und bedächtig,

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