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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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dürfen. Am meisten freute er sich darauf, nach Hause zu kommen und seinen Eltern von seinem Abenteuer zu erzählen. Auf dem Weg zum Snellevann war zwar nicht wirklich viel passiert, aber die Reise war ja noch nicht zu Ende. Und wenn nichts mehr passieren würde, könnte er sich ja etwas ausdenken, zum Ausschmücken. War das nicht ein Adler, der hoch oben am Himmel kreiste, auf der Jagd nach einer Beute? Sprang da nicht gerade eine riesige Forelle aus dem Wasser, er sah die Ringe so deutlich, sie breiteten sich langsam und gleichmäßig auf dem Wasser aus. Alles ist möglich, dachte Theo und schwenkte den frisch geschnitzten Stock. Er rührte damit im Wasser herum wie in einem Kochtopf. Die Stille und die Ringe, die sich an der Wasseroberfläche ausbreiteten, versetzten ihn in eine Art schläfrige Trance.
    Er fiel aus der Wirklichkeit heraus. In eine andere, traumhafte Landschaft, die ihm ebenfalls vertraut vorkam. Auch hier gab es einen kleinen Waldsee, auch hier sprang eine Forelle aus dem Wasser. Aber plötzlich kam von rechts ein Mann angepaddelt. Theo blinzelte schläfrig, denn er traute seinen Augen nicht.
    War das nicht Lars Monsen in seinem grünen Kanu?
    Lars zog das Paddel ins Boot. Das Kanu glitt weiter, lautlos zog es wie ein Messer durchs Wasser und auf das Ufer zu, an dem Theo saß. Seine lockigen Haare waren wild und lang, die Augen schmale Schlitze, mit einer Iris, scharf und schwarz wie Feuerstein. Das Boot stieß leise gegen den Felsen.
    »Ja, sieh an. Du hier. Schon lange unterwegs?«, fragte Lars Monsen.
    Theo schüttelte den Kopf. Er hatte den Weidenspeer auf den Knien liegen und sah seinen großen Helden bewundernd an. »Wollte zum Ravnefjell,«, sagte er kess. »Aber dann ist mir der Proviant ausgegangen.«
    Er zeigte auf das zusammengeknüllte Butterbrotpapier, das neben ihm auf dem Felsen lag. Es waren nur noch Krümel übrig.
    »Schlechte Planung«, grinste Lars Monsen.
    Seine Zähne waren scharf und weiß.
    Theo nickte. Das grüne Kanu hatte vorn am Bug tiefe Kerben, wo es gegen Felsen geschrammt war. Im Boot lagen zwei Ledertaschen mit Ausrüstung. Und Monsen hatte ein Gewehr und eine Angelrute.
    »Forellen erwischt?«, fragte Theo.
    »Jepp«, sagte Lars Monsen. »Zwei dicke Oschis hier oben in der Bucht, heute früh.«
    Dann schwiegen sie eine Weile. Lars Monsen trug eine Schirmmütze und jetzt zog er den Schirm nach unten, so dass seine Augen im Schatten lagen.
    »Du bist also auf dem Rückweg?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete Theo. »Werde in etwa einer Stunde wieder zu Hause sein. Mache morgen eine längere Tour. Mit mehr Proviant«, fügte er eifrig hinzu.
    »Wo steht denn dein Zelt?«, fragte Lars. Und seine Augen bohrten sich in Theos.
    »Ach, das Zelt«, stammelte Theo, »nein, ich mache heute nur eine Tagestour«, sagte er und wurde verlegen. »Aber ich werde mir ein Zelt zulegen … Und ein Kanu. So eins wie deins.«
    Er steckte das Butterbrotpapier in den Rucksack. Er war doch kein Umweltschwein.
    »Ich hab da oben den Teddy getroffen«, sagte Lars Monsen und zeigte auf das andere Seeufer.
    Theo klappte vor Schreck das Kinn nach unten.
    »Was? Den Teddy?«
    »Jepp«, sagte Lars. »Oder, genauer gesagt, die Teddys. Große Bärin mit zwei Jungen. Verdammt, das war ein Biest, das hättest du mal sehen sollen. Zottig wie eine Hummel und mit einem Hintern wie ein Nilpferd. Und überall frische Teddykacke.«
    Theos Herz verwandelte sich aus einem kleinen harten Muskel in etwas Heißes, Flüssiges, das durch seinen Körper strömte.
    »Ich hab ihr ein paar Beschimpfungen hinterhergeworfen«, sagte Lars Monsen grinsend. »Und das war zuviel für die Bärenmama. Damen mögen keine frechen Sprüche«, sagte er. »Das war oben im Ravnefjell«, fügte er hinzu. »Du willst nicht zufällig in die Richtung? Du willst nach Süden, oder? Nach Saga, du gehst durch die Schneise?«
    Theo hob den Speer von seinen Knien.
    Er hatte das Gefühl, dass der Boden unter ihm schwankte.
    »Ich habe einen Speer«, stammelte er. »Und das Messer.«
    Er zog das Messer aus der Scheide und schwenkte es durch die Luft. Dann sah er das Gewehr, das in Lars’ grünem Kanu lag. So eins müsste er eigentlich haben. Dann könnte er die Bärin und ihre Jungen wegpusten.
    Lars Monsen fing an zu lachen. Er warf den Lockenkopf in den Nacken und prustete los, und sein Lachen hallte über dem See und scheuchte die Vögel auf und ließ Eichhörnchen vor Schreck durchs Heidekraut rennen.
    »Du willst die Bärin also mit

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