Eine undankbare Frau
Sandalen, nimm andere Schuhe.«
»Shorts«, sagte Theo. »Weil es so warm ist. Und Turnschuhe. Einen Pullover zur Sicherheit im Rucksack. Essen und Trinken.« Hannes nickte.
»Und dann brauchst du ein gutes Messer«, sagte er. »Du kannst nicht ohne Messer in den Wald gehen. Du kannst mein Hunter-Messer leihen. Aber verrat es Mama nicht. Du weißt schon, Frauen und Messer, da werden sie doch gleich hysterisch.«
Theo lief durchs Haus und suchte sich zusammen, was er für einen Abstecher in die Wildnis brauchte. Er lief vor Eifer rot an. Und wenn er später selbst ein bekannter Abenteurer geworden wäre, so wie Lars Monsen, würden die Journalisten ihn nach seiner allerersten Tour fragen. Ach die, würde er antworten, ja, da war ich noch ein Kind. Ich bin zum Snellevann und zurück gelaufen und war sehr stolz auf mich.«
Hannes schmierte ihm ein paar Brote. Während er damit beschäftigt war, überlegte er sich gute Argumente, die er anführen müsste, wenn Wilma aufwachte und erfuhr, dass ihr kleiner Junge allein auf dem Weg zum Snellevann war. Mit einem großen Jagdmesser im Gürtel.
»Jetzt komm schon, Wilma, er ist acht Jahre alt. Du weißt doch, wie besessen er von Lars Monsen ist. Er ist und wird ein richtiger Abenteurer und du wirst ihn nicht aufhalten können. Ich finde, wir sollten stolz und froh sein. Es gibt Kinder genug, die nicht vom Sofa aufstehen. Was sagst du? Sich verirren? Er will zum Snellevann, Wilma, er nimmt den ausgeschilderten Weg und war doch schon hundertmal da. Nein, das Wetter ist gut und in zwei Stunden ist er wieder hier. Oder, sagen wir, in zweieinhalb. Überleg doch mal, wie stolz er sein wird. Selbstvertrauen ist sehr wichtig, Wilma, das siehst du doch auch so?«
Er legte Salami auf die eine Schnitte.
»Ja, natürlich habe ich dafür gesorgt, dass er das Handy mitnimmt. Dass er nur einen Tastendruck weit weg ist. Du kannst ihn jede Viertelstunde anrufen und nerven. Wenn du ihm unbedingt den ganzen Spaß verderben willst.«
Er legte Cervelatwurst auf die zweite Schnitte und Käse auf die dritte, damit sein Sohn eine Auswahl hatte. Er verdünnte Johannisbeersaft mit Wasser und füllte ihn in eine Thermoskanne. Theo kam in die Küche. Er hatte seinen Rucksack geholt und sein Lieblingsspielzeug hineingelegt, den Optimus Prime.
»Hol dir einen Gürtel«, sagte Hannes. »Für das Messer. Das musst du immer zur Hand haben. Falls die Indianer kommen«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Theo rannte los, um einen Gürtel zu holen. Er zog seine Turnschuhe an und band sich die Schnürsenkel mit einem Doppelknoten. Er war so eifrig, dass seine Wangen glühten, und er hatte etwas Männliches bekommen, etwas Draufgängerisches und Erwachsenes.
»Ich bring dich zur Schranke«, schlug Hannes vor.
»Jepp«, sagte Theo.
Sie zogen die Tür hinter sich zu und wanderten ein Stück die Hauptstraße hinunter. Sie brauchten eine Viertelstunde bis zur Schranke vor der Schneise. Dort blieben sie stehen und wechselten ein paar letzte Worte.
»Zieh den Pullover an, wenn es kalt wird.«
»Klar doch, Papa«, sagte Theo.
»Du darfst keinen Abfall hinterlassen. Steck das Butterbrotpapier in den Rucksack, wenn du gegessen hast.«
»Sicher. Ich räum auf, bevor ich zurückgehe.«
»Und wenn du das Messer benutzt, dann sei vorsichtig, das ist ganz schön scharf.«
»Ich werde vorsichtig sein, Papa, das verspreche ich.«
Dann drehte er sich um und ging. Er hatte die großen Füße seines Vaters geerbt, in den großen Turnschuhen sah er aus wie ein kleiner Erpel, als er davon watschelte.
Hannes blieb stehen und sah seinem kleinen Sohn nach, bis der hinter einer Kurve verschwand. Und dann hatte der Wald den kleinen Jungen verschluckt.
Wilma Bosch kannte keine Gnade.
Die eingemachten Birnen, die Hannes noch zusammen mit Theo bewundert hatte, waren in ausgeblichenen Jeans verschwunden, waren allerdings nach wie vor sehr einladend. Hannes war aber klug genug, um in diesem Moment darin keine Einladung zu sehen, denn sie ging direkt zum Angriff über.
»Wie soll er denn alleine zurechtkommen, wenn etwas passiert?«, rief sie.
»Was meinst du mit ›passiert‹«, fragte Hannes. »Im Wald passiert nichts, Wilma. Da gibt es nur Eichhörnchen und Hasen, so weit das Auge reicht. Wovor hast du eigentlich Angst?«
Wilma ging zum Fenster, das auf die Straße zeigte. Sie trug Holzschuhe, die laut auf den Dielen knallten. Auch, wenn sie Theo von dort nicht sehen konnte, fühlte sie sich ihm so doch näher.
»Du
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