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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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diesem Stock pieksen«, lachte er. »Hast du den Speer vielleicht im Werkunterricht gemacht? Ha, ha«, lachte Lars Monsen. »Das ist das Beste, was ich heute gesehen habe. Ja, da wird die Bärin sich aber fürchten, das glaub ich dir gern.«
    Er packte das Paddel mit beiden Händen. Das grüne Kanu nahm Fahrt auf. Theo hörte sein Lachen, bis das Kanu hinter dem Felsvorsprung verschwand. Jetzt muss ich aber zusehen, dass ich nach Hause komme, dachte er verwirrt und suchte seine Sachen zusammen. Eilig zog er sich Socken und Turnschuhe an. Stopfte alles andere in den Rucksack. Ich darf hier nicht länger herumtrödeln. Lars Monsen. Ja, toll, dass er auf dem Snellevann paddelt. Aber trotzdem, dachte Theo. Auch wenn das nur einer von seinen vielen blöden Tagträumen gewesen war, so war es doch gemein von Lars Monsen, ihm eine solche Angst einzujagen. Über Bären und sowas zu reden, wo es so weit im Süden doch gar keine Bären gab, das wusste doch jeder. Theo warf sich den Rucksack über die Schulter und kletterte zurück auf den Waldweg. Er versuchte, ruhig und gleichmäßig zu gehen, aber er fand nicht in seinen Rhythmus. Schließlich begann er zu rennen, stolperte aber immer wieder. Plötzlich kam ein kalter jäher Wind auf, der den Wald in Bewegung versetzte. Theo verlor die Fassung und jagte schluchzend weiter. Auf einmal war er sich ganz sicher. Etwas näherte sich ihm von hinten, es kam immer näher. Etwas beobachtete ihn von allen Seiten, irgendetwas Furchtbares erwartete ihn.
    Hannes Bosch war Optiker, wie sein Vater Pim es gewesen war, er hatte ein Gespür für Licht und Lichtbrechungen und alles, was dem Auge zur Freude gereichte. Jetzt hob er das Weinglas in die Sonne und bewunderte durch das Kristall die tiefe rote Farbe. Wilma hatte eine Zeitung auf den Knien liegen. Sie schaute ihren Mann an und sah, dass er die Füße auf den Tisch gelegt hatte.
    »Deine Füße«, kommentierte sie, »die sind groß wie Brote.«
    Hannes nickte und prostete ihr zu.
    »Ja«, sagte er. »Die sind groß. Aber darum falle ich auch nicht um, weder bei Sturm noch bei Windstille.«
    Der Wein hatte ihn aufgemuntert. Er fühlte sich leicht, beschwingt und glücklich.
    »Und was dich und alle deine Vorzüge angeht, da halte ich lieber den Mund«, sagte er lachend. »Ich bin ja nicht blöd.«
    Sie saßen in der Hollywoodschaukel. Wilma legte die Zeitung weg, sie lehnte den Kopf an seine Schulter und seufzte. Die Sonne wärmte, weil sie so tief stand, sie sog Hannes’ wunderbaren Geruch ein. Spürte sein Herz, das so ruhig und gleichmäßig schlug.
    »Du hast nie Angst«, sagte sie zu ihm und drehte den Kopf, um in seine milden grauen Augen sehen zu können.
    Er fuhr ihr durch die Haare. Die waren eine üppige, rotblonde Mähne und rochen nach frischer Seife.
    »Angst bekomme ich erst, wenn es notwendig ist«, sagte er ruhig. »Und jetzt gerade ist es alles andere als notwendig. Ich sitze mit dir in der Sonne und habe ein Glas Wein in der Hand.«
    »Aber warum hat er noch nicht angerufen?«, jammerte Wilma.
    Hannes nahm eine Locke seiner Frau und wickelte sie um seinen Finger.
    »Vielleicht versucht er, uns damit etwas zu sagen. Dass auch er keine Angst hat. Das ist wie eine Kundgebung. Wir dürfen ihm mit unserem Drängen nicht alles verderben.«
    Wilma schob sich unter seinen Arm.
    »Du bist dir immer so sicher«, sagte sie. »Und darüber freue ich mich. Deshalb will ich für immer bei dir bleiben. Aber auch du bist nur ein Mensch und kannst dich irren.«
    »Ich irre mich nur selten«, erklärte Hannes. Der milde Rotweinrausch machte ihn ein wenig übermütig. Wilmas Locke fühlte sich an wie eine Seidenschnur zwischen seinen Fingern.
    »Vielleicht hat er ja doch Angst«, sagte Wilma. »Aber ist zu stolz, um das zuzugeben. Und läuft allein durch den Wald und sein Herz hämmert wie wild, und er muss für uns den Starken spielen. Und hofft, dass wir anrufen, denn dann bleibt ihm die Demütigung erspart. So kann man das doch auch sehen.«
    Hannes stand von der Schaukel auf. Er lief auf der Veranda ein paar Schritte auf und ab, und die Mischung aus Willenskraft und Körpergewicht ließ die Bretter bei jedem Schritt ächzen. Er zog das Handy aus der Tasche und wählte die Nummer. Während er auf Antwort wartete, sang er mit einem beeindruckenden Tenor:
    »Joy to the world, the Lord is come. Let earth receive her King!«
    »Was soll das denn nun schon wieder?«, fragte Vera. Sie musste über ihren lauten Mann lachen.
    »Das ist sein

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