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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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fragst, was passieren kann«, sagte sie. »Alles Mögliche kann passieren, Hannes. Ein Achtjähriger ist so hilflos. Vielleicht rutscht er auf den Felsen am Ufer aus. Dann schlägt er mit dem Hinterkopf auf und fällt ins Wasser. Es gibt auch Schlangen im Wald, und in diesem Jahr sind sie besonders groß, das sagen die Leute, die viel im Wald unterwegs sind. Außerdem grasen da Kühe und es gibt viele Elche. Es kommt auch vor, dass Elche Menschen angreifen«, sagte sie. »Du weißt, wenn sie Junge haben.«
    Hannes versuchte, das alles zu verdauen.
    »Du hast Angst, dass er Angst haben könnte«, sagte er. »Darum geht es dir, stimmt’s?«
    »Ja. Weil er erst acht ist!«
    »Aber alle haben ab und zu Angst«, sagte Hannes. »Vielleicht hört er unbekannte Geräusche in den Tannen. Und vielleicht schlägt sein Herz dann etwas schneller. Aber das tut mein Herz auch, und ich bin achtunddreißig. Ich kann auch auf den Felsen ausrutschen und mit dem Hinterkopf aufschlagen. Und danach künstlich beatmet werden müssen. Ohne mit dem Rest der Welt Kontakt aufnehmen zu können. Wenn wir schon über alles reden, was möglicherweise passieren kann.«
    Wilma ließ sich so heftig auf einen Stuhl fallen, dass er mehrere Zentimeter mit ihr zur Seite sprang.
    »Manchmal finde ich, er übertreibt diese Lars Monsen-Sache«, sagte sie.
    Sie sah sauer aus. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet, Hannes sah Reste des dunkelroten Nagellacks. Es sah aus, als seien winzige Blutstropfen unter den Nägeln hervor gesickert. Er streichelte kurz ihren Arm. Dann zog er sein Mobiltelefon aus der Hemdentasche und wählte eine Nummer. Er drückte auf den Lautsprecherknopf, damit Wilma mithören konnte.
    »Hallo, Theo«, sagte er. »Wie weit bist du gekommen?«
    Wilma hörte sich das kurze Gespräch an. Zugleich sah sie den Sohn vor sich, auf dem Weg in den großen Wald.
    »Du bist schon am Granfoss vorbei?«, sagte Hannes. »Bestens. Irgendwem begegnet? Nicht? Und Tiere, welche gesehen? Na gut. Du frierst nicht? Das ist schön. Zieh den Pullover an, wenn Wolken aufziehen. Du bist ja ganz außer Atem«, fügte er hinzu. »Gehst du gerade den Hang nach Myra hoch?«
    »Hab schon die Hälfte«, keuchte Theo. »Vielleicht muss ich gleich mal eine Pause machen.«
    »Du brauchst dich nicht zu beeilen«, sagte Hannes. »Du hast doch den ganzen Nachmittag Zeit. Mama wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist. Du weißt doch, die Frauen.«
    »Okay. Alles in Ordnung.«
    »Kannst du das noch mal wiederholen?«, bat Hannes und lächelte seiner Wilma zu.
    »Alles in Ordnung.«
    »Und du hast keine Angst oder sowas? Du hast keine unheimlichen Geräusche im Wald gehört, die dir Angst gemacht haben?«
    Da perlte Theos Lachen durch den Raum.
    »Keine unheimlichen Geräusche aus dem Wald«, lachte er. »Und ich hab keine Angst.«
    Die Jungenstimme war sanft und glockenrein.
    »Rufst du an, wenn du beim See angekommen bist?«, fragte Hannes.
    »Aye, aye, Captain«, sagte Theo.
    Sein Vater beendete das Gespräch und legte das Telefon auf den Tisch.
    »Eins sag ich dir«, sagte Wilma. »Im Ravnefjell sind Bären gesehen worden. Das hat in der Zeitung gestanden.«
    Hannes Bosch raufte sich die Haare.
    »Aber, doch im Ravnefjell! Er will nur zum Snellevann. Ehrlich, Wilma«, sagte er und griff nach ihren Händen. »Hast du Angst, Theo könnte einem Bären begegnen? Bist du nicht ganz bei dir? Hast du zu viele Kopfschmerztabletten genommen?«
    Er musste lachen, denn er fand, dass sie Unsinn redete. Sie entriss ihm ihre Hände.
    »Ich finde es einfach schrecklich, wenn er allein unterwegs ist«, gab sie zu. »Wenn ich die Kontrolle abgeben muss. Das macht mich ganz krank.«
    Hannes legte ihr die Hand an die Wange.
    »Das weiß ich«, flüsterte er.
    Ein kleines Teufelchen meldete sich in Hannes Bosch zu Wort.
    »Aber, die Welt ist lebensgefährlich«, sagte er. »Die Leute sterben wie die Fliegen. Wir setzen uns auf die Veranda und trinken eine Flasche Wein, bevor der Bär ihn holt.«
    Als Theo die St. Olavsquelle erreichte, hielt er an.
    Das Wasser glitzerte und sah fast silbrig aus.
    Neben der Quelle war eine kleine Anschlagtafel angebracht, auf der man etwas über die Geschichte der Quelle erfahren konnte. Sein Vater hatte ihm den Text schon oft vorgelesen. Eine Weile stand er ehrfürchtig da, denn das Wasser der Quelle war heilig, und er sah ihren einzigartigen Schimmer und Glanz. St. Olav war ein heiliger Mann, wusste Theo, und auch das Wasser ist heilig. Wenn ich also

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