Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
Wasserflasche. »Tu nicht so verschämt. Du weißt, was ich meine. Wie sah sein Ding aus?«
»Kennst du diese kleinen Pilze, die sie manchmal aufspießen und in Drinks servieren? So ähnlich.«
»Ich meine, bevor er zusammenschrumpfte.«
»Wie ein Wiener Würstchen.«
»Ach, einer von denen!«
Wir setzten uns auf eine Bank und Piper gab Brandon ein Stück Brezel, auf dem er begeistert herumkaute.
»Und was dann?«, wollte sie weiter wissen. »Bist du einfach nach Hause gegangen?«
»Ja, aber hör zu: An der Tür hält er mich auf, nimmt meine Hände und ich denke, er will sich entschuldigen oder so etwas, aber stattdessen hebt er meine linke Hand hoch ...« Hier illustrierte ich den Vorgang, indem ich meine Hand wie ein Verkehrspolizist hob. »... zieht den Ring von meinem Finger und sagt: ›Den sollte ich wohl besser aufbewahren.‹«
»Tatsächlich?« Piper sah mich fasziniert an. »Dachte er, du würdest ihn nicht mehr rausrücken?«
»Anscheinend. Danach bin ich einfach nur nach Hause gegangen, habe ein bisschen mit Hubert geredet und mich schlafen gelegt.«
»Hubert war bei der Hundesuche nicht dabei?«
»Nein, er wusste gar nichts davon.« Ich rieb mir die Stirn. Trotz einer großzügigen Dosis Aspirin hatte ich immer noch einen mächtigen Kater. »Er war nach dem Racquetball nach Hause gekommen und hatte die meiste Zeit in der Küche gesessen und die Tagebücher meiner Tante gelesen. Er ist geradezu süchtig danach.«
Was Hubert betraf, hatte ich Piper jedoch nur das Nötigste erzählt. Als ich nach Hause kam, saß er lesend am Küchentisch. Ich muss ziemlich schrecklich ausgesehen haben
– ganz zerzaust und mit verschmierter Mascara. Da ich keinen Kamm dabei gehabt hatte, war ich auf dem Rückweg einfach nur ein paar Mal mit den Fingern durch mein Haar gefahren, aber es fühlte sich nicht so an, als ob es viel gebracht hätte. Ich wollte mich also gerade für mein Aussehen entschuldigen, da sah Hubert auf und sagte: »Wie war deine Verabredung?«
»Ein bisschen enttäuschend, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Ach, das ist schade«, erwiderte er, sah jedoch nicht so aus, als ob er es ehrlich meinte. »Du siehst trotzdem toll aus. Richtig hübsch.«
»Das liegt am Kleid. Die Farbe steht mir gut – zumindest hat man mir das gesagt.«
»Nein, das liegt nicht am Kleid. Ich meine, es ist hübsch, aber ich meinte eigentlich dich selbst.«
»Danke.« Ich blieb einen Moment stehen. In seinem T-Shirt und der Jeans und mit den Tagebüchern meiner Tante vor sich sah Hubert so vertraut und einladend aus! »Liest du das immer noch?«
Er grinste. »Deine Tante war klasse. Ich wünschte, ich hätte sie mal kennengelernt. Ich hätte Hunderte von Fragen an sie gehabt.«
»Zum Beispiel?« Froh um die Ablenkung, zog ich mir einen Stuhl heran und setzte mich.
»Ach, einfach über ihr Leben und ihre Reisen und die Leute, die sie kannte. Wusstest du, dass Myra nebenan als junge Frau mit ihrem Mann und einem Baby eingezogen ist? Deine Tante war die erste Nachbarin, die sie damals begrüßte. Sie brachte ihnen einen Kuchen mit. War das nicht nett? Früher hat man so was noch gemacht.«
Schuldbewusst dachte ich an meinen eigenen Einzug in der King Street vor fünf Monaten. An dem Tag und auch die restliche Woche über waren mindestens ein halbes Dutzend Nachbarn vorbeigekommen und hatten alles Mögliche mitgebracht, von Blumen bis zu selbst eingelegtem Gemüse. Ich hatte es nur lästig gefunden.
»Und dann«, fuhr er fort, »habe ich in einem der späteren Tagebücher gelesen, dass Myras Baby starb. So hat sie es genannt, ›Myras Baby‹, obwohl das kleine Mädchen da schon vier Jahre alt war. Es war so traurig. Myra war an dem Tag weggefahren, um ihre kranke Schwester zu besuchen, und der Mann hat auf das Kind aufgepasst. Janie. Irgendwann lief Janie einfach auf die Straße und wurde von einem Auto überfahren. Sie brachten sie sofort ins Krankenhaus, aber es hat nichts genützt. May schrieb, Myra habe ihrem Mann nie verziehen, dass er nicht besser aufgepasst hat. Sie hatte die Kleine über alles geliebt. Es war ihr einziges Kind.« Er sah zur Seite, als wäre er damals dabeigewesen und würde sich nun erinnern. »Und dann, zwei Jahre später, wurde Myras Mann krank und starb. Bei der Beerdigung sagte Myra immer wieder: ›Ich habe es nicht so gemeint, ich habe es doch wirklich nicht so gemeint.‹ Als deine Tante fragte, was sie damit meine, sagte sie: ›Ich habe mir gewünscht, dass er tot ist,
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