Eine ungezaehmte Lady
Muskeln unter ihren Fingern. Seine Nähe war überwältigend. Das dunkle nasse Haar, die starken, breiten Schultern und sein kraftvoller, straffer Körper.
An der Sandbank angekommen, hob er sie in seine Arme und trug sie ans Ufer. Als sie sich an seine Brust schmiegte, fühlte sie sich sicher und geborgen, Empfindungen, die sie sich so lange nicht mehr gestattet hatte. Nur, dass sie nicht in Sicherheit war. Er war der Feind. Und außerdem wurde der Geschosshagel immer dichter.
»Lass mich runter!« Sie sträubte sich, um sich zu befreien, bevor er die Wahrheit entdeckte. Seine Hände glitten über ihren gewölbten Po, die kurvigen Brüste und die glatte Haut.
»Hab ich es mir doch gleich gedacht, eine Frau.« Er erstarrte und musterte, offenbar verdattert, ihr Gesicht.
»Nein!« Verzweifelt wehrte sie sich, denn er durfte den Gedanken auf keinen Fall zu Ende denken.
Mit einem schwieligen Daumen fuhr er über den Schönheitsfleck unter ihrem Mund, und im nächsten Moment glomm Verstehen in seiner zunächst ratlosen Miene auf.
Da wusste sie, dass er sie erkannt hatte. Und biss ihn in den Finger.
»Lady!«, stieß er zornig hervor.
Sie zappelte in seinen Armen, um sich loszureißen. Doch er umklammerte sie nur noch fester und drehte sich um.
Und warf sie in den Fluss.
6
Als Rafe die fruchtbare Erde des Indian Territory erreicht hatte, zügelte er Justice. Der Schlamm tropfte an ihm herunter und bildete rings um ihn rote Pfützen. Die Wut, die ihm den Blick verschleierte, loderte ebenfalls rot.
Die Lady mit dem Colt hatte ihn schon wieder aufs Glatteis geführt. Den ganzen Tag lang hatte er die berüchtigte Banditin nicht erkannt. Er kam sich wie ein Narr vor. Wie hatte er diese kurvenreiche Figur übersehen können? Die Augen, die wie polierte Murmeln funkelten? Und die weiche, duftende Haut? Sie war die ausgekochteste Verbrecherin, der er je begegnet war.
Inzwischen war er weit außer Schussweite, hörte aber, dass am anderen Ufer noch immer gefeuert wurde. Mittlerweile hatte sich die mordlustige Meute um einige Köpfe vermehrt. Die Männer nahmen den Fluss weiter unter Feuer, und da sie allmählich nüchtern wurden, hatte sich ihre Zielsicherheit stark verbessert.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Lady und ihr Pferd Futter für die Bussarde waren. Das war die gerechte Strafe dafür, dass sie gesetzestreue Bürger in Angst und Schrecken versetzt und ihn außerdem einer Mörderbande auf dem silbernen Tablett serviert hatte.
Doch eine leise Stimme der Vernunft erinnerte ihn mahnend daran, dass sie zurückgekommen war, um ihm den Hals zu retten. Außerdem war er schließlich U.S. Marshal und kein Verfechter der Selbstjustiz. Nur, dass seine Wut die Ohren vor der Vernunft verschloss. Er wollte Rache, und zwar schnell.
Ladys Pferd war offenbar verletzt. Aber sie ließ das Tier nicht im Stich. Litt sie vielleicht an Todessehnsucht? Oder konnte sie nicht schwimmen? Die Meute würde sicher bald auf den Gedanken kommen, ihre kleine Feier ans Flussufer zu verlegen. Und dann war es aus und vorbei mit ihr.
Ein für alle Mal. Im nächsten Moment spürte er, wie sein Zorn zischend verlosch, als hätte jemand einen Eimer Wasser darüber gegossen. Er wollte nicht in einer Welt leben, die ohne sie um so vieles ärmer gewesen wäre. Insbesondere nicht, wenn er die Schuld daran trug.
Sie bestrafen, ja. Sie umbringen, nein.
Also lenkte er Justice zurück in den Fluss und ritt im Zickzackkurs auf Lady zu, wobei er immer wieder Kugeln ausweichen musste. Als er sie erreicht hatte, hatte sie die Stute wieder aufgerichtet. Er packte sie um die Taille und legte sie sich, das Gesicht nach unten, quer über den Schoss, ohne sich darum zu kümmern, ob das vielleicht unbequem für sie war. Jetzt zählte nur, dass er sie lebendig hier herausholte.
Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Jeder Mann, der Ladys Geschichte kannte und sie singen gehört und, unerreichbar, durch einen Saloon hatte schlendern sehen, hätte vermutlich alles dafür gegeben, um mit ihm tauschen zu können. Sie lag auf seinem Schoß, und ihr runder Po reckte sich ihm entgegen. Lachend warf er den Kopf in den Nacken und versetzte ihr einen kräftigen Klaps. Dabei fühlte er sich, als würde es ihm jeden Moment die Knöpfe seiner Hose sprengen.
Lady drehte sich um und sah ihn an. »Hör auf damit! Willst du uns beide umbringen?«
Zum ersten Mal konnte Rafe einen richtigen Blick auf ihr Gesicht erhaschen. Ohne Schminke und Lippenstift. Ohne
Weitere Kostenlose Bücher