Eine ungezaehmte Lady
verführerisch-kokettes Lächeln. Ohne Verkleidung als Junge. Stattdessen strahlte sie eine Gefühlstiefe und Ernsthaftigkeit aus, die ihm den Atem raubten. Die Lady mit dem Colt war ein Phantom. Nun hatte er die Frau vor sich, wie sie wirklich war, und die Gefühle, die sie in ihm auslöste, trafen ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
»Jipsey!«, rief sie und wies auf die Stute. »Wir dürfen sie nicht im Stich lassen!«
Diese faszinierende Frau hatte ihn auch nicht im Stich gelassen. Sie war treu, ob es nun um einen Menschen oder um ein Pferd ging. Er fragte sich, was wohl nötig war, um sich diese so selten anzutreffende Treue zu verdienen. Er würde dafür sorgen, dass sie ihr Pferd behielt, und wenn es seine letzte Tat im Leben war. Rafe warf einen Blick auf die Meute, um die Gefahr abzuschätzen.
Im nächsten Moment zuckte er entsetzt zusammen und traute seinen Augen nicht. U.S. Marshal Lampkin, ein erwiesener Freund der Lynchjustiz, stand zwischen den Banditen und feuerte seine Dienstwaffe ab. Nun wusste Rafe, warum die Meute einfach nicht lockerließ. Falls Richter Parker und Marshal Boles je erfuhren, dass einer ihrer Untergebenen mit den Desperados unter einer Decke steckte, konnte Lampkin sich von seinem Arbeitsplatz und vielleicht sogar von seinem Leben verabschieden.
Offenbar steckten sie wirklich in der Klemme. Sie hätten genauso gut in eine Grube voller Klapperschlangen fallen können. Die schießfreudige Meute mochte irgendwann genug bekommen, Lampkin konnte sich das nicht leisten. Sie mussten so schnell wie möglich verschwinden.
Rafe stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken und ritt, die Stute hinter sich herziehend, ins tiefe Wasser hinein. Rings um sie herum schlugen die Kugeln platschend in den Fluss ein, der sich im Schein der untergehenden Sonne blutrot verfärbte. Um schneller voranzukommen, ritt er geradeaus. Wenn die Sonne nicht gleich wie ein Stein hinter dem Horizont versank, standen ihre Chancen schlecht, die Sache zu überleben. Er preschte auf das Ufer zu. Eine Kugel streifte seinen Arm, eine zweite seine Schulter. Als Lady aufstöhnte, wusste er, dass sie auch getroffen worden war. Wie viele Schüsse ihre Pferde abgekriegt hatten, war nicht festzustellen. Doch die Tiere stürmten tapfer weiter.
Im nächsten Moment war die Sonne untergegangen und verwandelte sie in Schatten in einer sich verdunkelnden Welt. Die Schüsse wurden weniger und verstummten schließlich. Warum auch Munition vergeuden? Stattdessen waren von der Klippe her Geschrei und Bewegungen zu hören. Die Meute nahm die Verfolgung wieder auf.
Rafe galoppierte weiter durch das dunkle Wasser und trieb die Pferde gnadenlos zur Höchstgeschwindigkeit an. Hinter ihnen ritten die Banditen in den Fluss hinein. Ein Schauder lief ihm den Rücken hinunter. Erneut knallten Schüsse, die jedoch ihr Ziel verfehlten. Doch es würde nicht mehr lange dauern, bis sie trafen.
Ein letzter Satz, und die Pferde kletterten, zitternd vor Erschöpfung, ans Ufer und ließen keuchend die Köpfe hängen.
Rafe stellte Lady vorsichtig auf den Boden und sprang ebenfalls aus dem Sattel.
Ein letzter Rest Sonnenlicht fiel auf das Ufer. Als er Lady auf Verletzungen untersuchen wollte, wehrte sie ihn ab und wies auf die Stute. Sie hatte recht. Wenn sie zu zweit auf einem müden Pferd reiten mussten, würden sie es niemals schaffen. Also tastete er den Rotfuchs ab und fuhr mit den Händen über den Körper des edlen Pferdes. Bis auf einen Streifschuss an der Schulter und vielleicht ein paar weitere Kratzer schien mit der Stute alles in Ordnung zu sein. Als er auch Justice in Augenschein nahm, bemerkte er einen Streifschuss an seiner muskulösen Seite. Aus unerklärlichen Gründen war es der Meute nicht gelungen, zwei so große Ziele zu treffen.
Dann drehte er sich um. Lady stand, die Hände in die Hüften gestemmt, da. Hut und Weste waren fort, und Hemd und ihre Jeans klebten ihr am Körper wie eine zweite Haut. Außerdem war sie von oben bis unten mit roten Schlamm bedeckt wie mit einer Schicht aus Bronze. Sie erinnerte ihn an eine lebendig gewordene Göttin aus der Antike.
Hinzu kam, dass sie mit ihren langen, wohlgeformten Beinen, den schmalen Hüften und den Brüsten wie zwei reife Melonen genauso gut hätte nackt sein können. Sie sah zum Anbeißen aus. Sicher schmeckten ihre Küsse wie Zitronenlimonade, gleichzeitig süß und sauer. Er malte sich aus, wie ihre Zähne seine Lippen streiften und ihn, voller Verheißungen, lockten
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