Eine ungezaehmte Lady
Der Deputy! Sie stieß ihn weg, sprang auf und hielt sich schützend die Steppdecke vor wie einen Schild. Obwohl sie ins Schwanken geriet, gelang es ihr, nicht zu stürzen.
»Was tust du da?«, fragte sie, und ihre Besorgnis wuchs, als sie feststellte, dass er ebenfalls halb nackt war.
»Das Pferd hat dich getreten. Du warst klatschnass, durchgefroren und verletzt.« Er wich zurück, um ihr Raum zu geben. »Außerdem hast du immer wieder das Bewusstsein verloren. Ich musste dir die durchweichten Sachen ausziehen, damit dir wieder warm wird.«
»Und was war mit dem Kuss?«
»Du hast ausgesehen, als könntest du einen gebrauchen.«
»Was?«
Lächelnd zuckte er die Achseln, doch die harmlose Miene wirkte nicht überzeugend. »Ich wollte dich mit meinem Körper wärmen. Wir können kein Feuer machen. Sonst sieht es vielleicht jemand, trotz des Regens.«
»Hast du meine Lage ausgenutzt? Du weißt, dass ich nicht klar denken konnte.«
Seufzend fuhr er sich mit der Hand durchs immer noch feuchte Haar. »Du glaubst wohl, dass ich eine Frau nur für mich gewinnen kann, wenn sie halb bewusstlos ist?«
»Falls du denkst, dass sich jede Frau nach dir verzehrt, hast du wohl nicht alle Tassen im Schrank.«
»Wahrscheinlich war es wirklich verrückt von mir, mich mit dir abzugeben.«
»Ich habe dir deinen Knackarsch gerettet, falls du das schon vergessen haben solltest.«
»Meinen Knack… was?« Grinsend verschränkte er die Arme vor der nackten Brust.
»Nichts.« Sie wusste nicht, wie es zu diesem Streit gekommen war. Eigentlich wollte sie nur noch ins Bett kriechen und eine Woche lang schlafen. Vielleicht würde ihr Schädel ja dann zu pochen aufhören.
»Du hast hingeschaut, als ich mich umgezogen habe, richtig?«
»Ich habe geschlafen.«
»Die ganze Zeit?«
»Du weichst vom Thema ab.«
Er kam näher. »Wenn du noch frierst, kann ich dich wärmen.«
Sie verzog das Gesicht. Das Geplänkel wurde ihr allmählich zu anstrengend. »Warum ziehst du kein Hemd an?«
»Stört dich etwas?« Er warf ihr einen lodernden Blick aus rauchgrauen Augen zu. »Kann ich dir vielleicht helfen?«
»Geh und mach einen Spaziergang im Regen. Das wird dich abkühlen.«
Lachend stand er da. Die langen Beine gespreizt, die Brust leicht behaart und eine dicke Wölbung in seiner Jeans. Er sah aus wie ein Mann, der sich viel zu viel auf sich selbst und seine Wirkung auf Frauen einbildete.
Am liebsten hätte sie ihn verprügelt. Oder, noch schlimmer, ihn aufs Bett geworfen und ihren Spaß mit ihm gehabt. Aber er war der Feind. Sie hatte einen Fehler gemacht, weil sie verletzt war. Einmal konnte sie sich das verzeihen. Doch kein zweites Mal.
Und dennoch war Rafe ein toller Mann, vergleichbar mit einem preisgekrönten Hengst, der seinesgleichen suchte.
Und sie hatte gerade Feuer gefangen.
12
Rafes selbstsichere Art war auf einmal wie weggeblasen, als Lady erbleichte, schwankte und sich unfreiwillig aufs Bett setzte. Sie an sich zu drücken, sie nackt zu sehen und sie auf die Lippen zu küssen, hatte ihn so verwirrt, dass er nicht mehr klar denken konnte.
Sie war müde, hungrig und verletzt. Er musste ihr helfen, anstatt in Tagträumen von einem Schäferstündchen mit einer gesuchten Verbrecherin zu schwelgen, ganz gleich, welche Gelüste sie auch in ihm wecken mochte.
»Gut«, übernahm er das Kommando, auch wenn er seinen Körper noch nicht ganz im Griff hatte. »Ich kümmere mich um alles.«
Sie blickte auf und zog die Decke fester um sich zusammen. »Pferde?«
»Trocken, gefüttert, ausgemistet.«
»Also schlafen sie.«
»Ich habe außerdem unsere Sachen reingebracht. Sättel, Decken, Satteltaschen, Gewehre. Die Colts liegen auf dem Tisch, damit sie über Nacht trocknen.«
»Gut.«
»Wir sollten nach unseren Verletzungen schauen.«
»Die Salbe ist in meiner Satteltasche.«
»Wir behandeln einander. Rein professionell.«
»Abgemacht.«
Er ging zum Tisch, um ihre Satteltasche zu öffnen. Als er ihre Augen auf sich spürte, drehte er sich um.
»Bring sie her. Ich hole raus, was ich brauche.« Sie rückte die Decke zurecht, um einen Arm frei zu haben, was ihm einen kurzen Blick auf ihre nackte Haut gestattete.
Da er keine weitere Erinnerung an ihren kurvenreichen Körper nötig hatte, wandte er sich ab. Natürlich traute sie ihm nicht. Wer konnte wissen, welches Diebesgut sie neben dem Feuerwerk noch mit sich herumtrug? Also stellte er die Satteltaschen aufs Bett und bemühte sich, der Versuchung aus dem Weg zu
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