Eine ungezaehmte Lady
schlug.
»Danke für die Hilfe. Weck mich, wenn ich mit der Wache dran bin.«
»Ruh dich aus.«
Er stürmte aus dem Haus, ohne sich darum zu kümmern, ob er wieder klatschnass wurde. Dass er im selben Raum schlief wie die Lady mit dem Colt, kam überhaupt nicht in Frage. Nicht, wenn sie nichts weiter trug als sein eigenes gottverdammtes Hemd.
13
Lady saß am Küchentisch und hatte die Zehen ihres rechten Fußes unter ein zu kurzes Tischbein geklemmt, um die Tischplatte gerade zu halten, während sie ihren Colt Kaliber .44 reinigte. Die Munition lag neben einer halb geleerten Dose mit Bohnen, in der noch der Löffel steckte. Ihre Winchester hatte sie bereits gereinigt, und der lange Lauf glänzte in den Strahlen der Morgensonne, die durch die offene Eingangstür der Postkutschenstation fielen.
Ihr Kopf fühlte sich nach dem unruhigen Schlaf immer noch schwer an. Als sie aus dem Bett geklettert war, war von Rafe keine Spur zu sehen gewesen. Sie hatte nach den schläfrigen Pferden gesehen und sich in den Büschen erleichtert. Wieder zurück im Haus, hatte sie sein Hemd ausgezogen und war in ihre immer noch feuchte Jeans und ihr fleckiges Hemd geschlüpft. Sie hatte ihr Haar zu einem festen Knoten zusammengebunden und war jetzt fertig zum Aufbruch.
Sie war zwar nicht mehr so müde wie am Abend zuvor, aber sie fühlte sich immer noch so, als wäre sie von einer Herde Maultiere niedergetrampelt worden. Ein dumpfes Pochen und eine Beule von der Größe eines Hühnereis erinnerten sie daran, dass sie einen Tritt gegen den Kopf bekommen hatte.
Ihre Satteltaschen waren bereits gepackt. Das Wichtigste waren jetzt die Waffen. Sobald sie sie verstaut hatte, würde sie Jipsey satteln und sich auf den Weg machen. Rafe hatte sich ohne sein Pferd sicher nicht weit entfernt. Vielleicht konnte sie aufbrechen, bevor er zurückkam und ihr wahrscheinlich wieder Ärger machen würde. Sie faltete sein Hemd zusammen und legte es zögernd auf den Schaukelstuhl. Sie hatte das Gefühl, sich damit von ihm oder zumindest von einem Teil von ihm zu verabschieden. Er hatte sie nicht geweckt, um ihn bei der Nachtwache abzulösen, also hatte sie die ganze Nacht seinen Geruch in der Nase gehabt. Jetzt kam es ihr so vor, als ob er mit seinem Duft nach Salbei und Leder tief in sie eingedrungen war. Eine solche Ablenkung konnte sie sich nicht leisten.
Als sie die Trommel ihres Sechsschüssers drehte und nach den Patronen griff, um die Waffe zu laden, hörte sie Eponas Warnruf. Sie hob den Kopf, als Rafe hereinkam und seine dunkle bedrohliche Silhouette den Türrahmen ausfüllte.
Plötzlich schien die Luft aus dem Raum zu weichen, aufgesogen von seiner Gegenwart. Ihr Puls beschleunigte sich, und das heftige Klopfen in ihrer Brust erschwerte ihr das Atmen. Sie nahm seinen Geruch wahr, spürte ihn und sah ihn so deutlich vor sich, dass sie zu keinem rationalen Gedanken mehr fähig war. Sie wünschte sich nichts mehr, als sich in seine Arme zu werfen, seine Lippen mit ihren zu suchen und mit einem Kuss die schmerzliche Trauer der Vergangenheit zu verdrängen. So könnte sie ihre Einsamkeit vertreiben und die Sehnsucht in ihrem Inneren stillen. Und sich auf eine Zukunft mit Wärme und Leidenschaft freuen.
Unwillkürlich stand sie auf und lächelte bei seinem Anblick. Hoffnung stieg in ihr auf. Vielleicht hielt das Leben doch noch mehr für sie bereit, als das Streben nach Rache und die Erfüllung der Träume ihrer Eltern. Möglicherweise hatte das Schicksal etwas ganz Besonderes für sie vorgesehen.
»Rafe.« Sein Name schmeckte wie Brombeeren mit Sahne auf ihren Lippen. »Ich schätze, unsere Wege trennen sich jetzt.« Trotzdem keimte in ihr eine zarte Hoffnung auf, dass er bei ihr bleiben würde.
»Bist du bereit zum Aufbruch?« Er trat in den Raum, und seine Stiefel polterten auf dem Holzboden. Bartstoppeln betonten sein markantes Kinn und verliehen ihm das Aussehen eines Desperados.
Kein warmer Gruß. Alles rein geschäftlich. Er stand jetzt im Licht, sodass sie seine Miene sehen konnte. Verschlossen, grimmig, gefährlich. Ihr Lächeln wich einem Stirnrunzeln. Instinktiv griff sie nach ihrem Colt und wünschte, sie hätte ihre Waffen bereits geladen. Sie tastete nach einer Patrone und senkte den Blick, um sehen zu können, was sie tat, obwohl man ihr beigebracht hatte, eine Waffe selbst im Dunkeln zu laden.
»Nicht laden.«
Sie sah zu ihm hoch, während sie die Patrone in die Waffe schob, und die Trommel herumdrehte. So hatte sie zumindest
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