Eine ungezaehmte Lady
eine Chance, falls sie sie wahrnehmen musste.
Sonnenlicht glitzerte auf Metall, als er einen Gegenstand hinter seinem Rücken hervorzog und ihn so heftig auf den Tisch warf, dass die Patronen in die Luft flogen.
Wie sie wusste, verbanden manche Frauen Metall mit Schmuck, vielleicht mit einem Ring oder einer Halskette als Geschenk. Rafe hätte sie nicht enttäuscht, denn er hatte Armbänder mitgebracht. Leider hing an seinem Geschenk ein Schlüssel. »Handschellen?«
»Leg sie dir an. Du bist verhaftet.«
Sie ließ sich zurück auf den Stuhl fallen. All ihre Hoffnungen und Träume verpufften schlagartig. Eponas Warnung war zu spät gekommen. »Du sagtest, du würdest den Richter, der so gerne Leute an den Galgen bringt, nicht mehr erwähnen«, sagte sie und erinnerte ihn damit an sein Versprechen.
»Was das betrifft, werde ich mein Wort halten.«
»Rafe, ich habe dir das Leben gerettet.« Sie zwang sich mühsam dazu, ihren Zorn zu unterdrücken. Sie brauchte einen klaren Kopf, wenn sie sich aus dieser Situation retten wollte.
»Wegen dir wäre ich beinahe aufgehängt worden.«
»Das war nur ein Streich, der in die falsche Richtung losgegangen ist.«
»Wenn er damit endet, dass man den Kopf in der Schlinge hat, findet man das nicht sehr lustig.«
»Du wirst mich niemals lebend aus dem Indian Territory herausbringen. Es ist ein langer Ritt zum Fort Smith. Und hier liegen überall Gesetzlose auf der Lauer.«
»Wir reiten nicht zum Fort Smith.«
»Aber dort ist das Gericht des Indian Territory.« In ihren Zorn mischte sich Verwirrung, und sie fragte sich, ob sie ihn überhaupt einschätzen konnte.
»Ich habe noch andere Möglichkeiten.« Er deutete auf die Handschellen. »Ich mache es dir leicht. Du darfst deine Hände vor deinem Körper fesseln.«
»Aber wir haben so viel gemeinsam durchgemacht.« Sie starrte ihn an und versuchte, in der grimmigen Miene dieses Mannes den Menschen zu entdecken, der sie so liebevoll umsorgt hatte und sicher ein leidenschaftlicher Liebhaber war.
»Das mag schon sein, aber im Augenblick bist du eine Banditin, und ich bin ein Deputy mit einem Haftbefehl für dich.«
»Kannst du nicht einfach dein Pferd satteln und wegreiten? Und vergessen, dass du mich jemals gesehen hast?« Sie versuchte noch einmal, mit ihm zu handeln.
»Nein.«
Sie atmete tief ein und zitterte leicht, als sie auf den Colt in ihrer Hand schaute. Mit einer Kugel könnte sie sich befreien. Würde sie es fertigbringen, auf Rafe zu schießen? Würde er auf sie schießen?
»Versuch es nicht.«
Seine Stimme war hart, aber sie hörte trotzdem eine Andeutung dessen heraus, was sie mit ihm verband. Sie richtete ihren Colt Kaliber .44 auf seine Brust. »Ich habe zwar nur einen Schuss, aber ich bezweifle, dass ich bei dieser Entfernung danebenschieße.«
»Gib dem Gericht eine Chance. Du bist eine Frau, also …«
»Rafe, ich kann mich nicht von dir festnehmen lassen.«
»Und ich kann dich nicht laufen lassen.«
»Wenn du am Leben bleiben willst, dann verschwinde jetzt von hier.«
»Lady … Sharlot …«
Sie sah, wie er seine Augen leicht zusammenkniff, ein verräterisches Zeichen, bevor er sich auf sie stürzte. Obwohl es allem widersprach, was man ihr beigebracht hatte, zielte sie auf seinen Arm anstatt auf sein Herz, bevor sie abdrückte. Doch ihr Sechsschüsser gab nur ein hohles Klicken von sich – sie hatte eine leere Trommelkammer erwischt. Sie drückte immer wieder ab, während er auf sie zukam, aber erst als er vor ihr stand und ihr die Handschellen anlegen wollte, zündete die Patrone. Ein lauter Knall hallte in dem Raum wider, und Rauch stieg ihr in die Nase, während sie den Rückstoß des Sechschüsser abfing. Aber das Geschoss hielt ihn nicht auf, obwohl es seine Schulter streifte und eine rote Spur auf seiner Haut hinterließ.
Knurrend entriss er ihr den Colt und warf ihn auf den Tisch. Dann packte er ihre Hände, fesselte sie vor ihrem Körper mit den Handschellen und funkelte sie aus seinen stahlgrauen Augen böse an.
Sie runzelte die Stirn. »Rohe Gewalt anzuwenden ist nicht fair.«
»Verdammt! Schließlich habe nicht ich die Waffe auf dich gerichtet.« Er warf einen Blick auf seinen Arm, wo Blut durch sein zerrissenes Hemd sickerte. »Du hast versucht, mich umzubringen.«
»Du bekommst nichts mehr von meiner Salbe. Die Schmerzen werden dich auf dem ganzen Weg nach Fort Smith begleiten.« Sie war ebenso wütend auf sich selbst wie auf ihn. Wenn sie richtig gezielt hätte, wäre sie
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