Eine ungezaehmte Lady
gehen.
»Danke.« Sie kramte eine Weile herum und förderte eine kleine dunkelblaue Dose mit einem Deckel aus weißem Metall zutage, die sie ihm hinhielt. »Das ist das beste Mittel auf der Welt, wenn es schnell heilen soll.«
»Kein Etikett.« Er schraubte den Deckel ab und entfernte ihn. Der scharfe Geruch raubte ihm fast den Atem. »Was zum Teufel ist denn das für ein Zeug?«
»Altes Familienrezept.«
»Damit kann man ja Pferdefliegen verscheuchen.«
»Pferde mögen es auch.«
Er knallte die Dose wieder zu. »Hast du keine Medizin für Menschen da?«
»Das ist welche.«
»Wirkt es?«
Sie nickte, zuckte jedoch im nächsten Moment wieder zusammen, hielt sich den Kopf und schloss die Augen.
»Ich wollte nicht unfreundlich sein«, sagte er sanft.
Sie öffnete die Augen und streckte die Hand aus. »Lass mich deine Verletzungen verarzten. Dann fühlst du dich gleich besser. Der Geruch legt sich.«
»Danke.« Er reichte ihr die Dose.
»Komm näher.«
Er wandte ihr den Rücken zu und kniete sich hin. Es wunderte ihn selbst, dass er einer Banditin so sehr vertraute, doch immerhin hatten sie einen langen gemeinsamen Ritt hinter sich. Inzwischen verstand er, dass sie nach ihrem eigenen Ehrenkodex lebte. Niemals würde sie ihm schaden, nicht, wenn er sich nicht verteidigen konnte. Darauf hätte er sein Leben verwettet. Was er ja gerade auch tat.
Bei dem aufgeschürften Ring um seinen Hals fing sie an und trug vorsichtig die Salbe auf. Als sie sich dem Streifschuss auf seinem rechten Bizeps zuwandte, holte er tief Luft. So rieb sie langsam eine Wunde nach der anderen, auch die alten Narben, mit der Salbe ein. Das sorgte zwar dafür, dass die Schmerzen sich schlagartig legten, allerdings war das Ergebnis auch ein erhöhter Blutfluss in Richtung eines gewissen Körperteils. Wenn sie nicht bald damit aufhörte, würde er noch seine letzte trockene Jeans ruinieren.
Er blickte nach draußen in den Regen und versuchte, sich zu beruhigen. Banditin. Banditin. Banditin. Er wiederholte das Wort unablässig, als sei es seine Rettung oder sein Untergang. Doch ganz gleich, wie sehr er seinen Verstand auch bemühte, sein Körper wollte ihm nicht gehorchen.
»So«, sagte sie schließlich. »Besser?«
»Ja. Danke.« Sie hatte zwar den einen Schmerz gelindert, doch einen anderen ausgelöst.
Lady beugte sich vor und hielt die Decke vorne hoch, ließ sie aber hinten herunterruschten, bis ihr Rücken freilag. »Da hinten habe ich einen Streifschuss. Kommst du ran?«
Sie ahnte ja gar nicht, wie gerne er ihr helfen wollte. Also setzte er sich aufs Bett, versuchte, nicht daran zu denken, was er noch viel lieber getan hätte, und konzentrierte sich stattdessen auf ihre Verletzungen. Eine Kugel hatte ihr Schulterblatt gestreift, eine sie ein Stück tiefer an der Seite getroffen und eine dritte ihren Bizeps verletzt. Es war eine schreckliche Vorstellung, dass sie dem Tod nur um Haaresbreite entronnen war.
»Du hast Glück gehabt«, sagte er mit belegter Stimme.
»Wir beide.«
»Halt still. Es könnte brennen.« Er tauchte den Zeigefinger in die Salbe und massierte sanft die schmerzenden Wunden, wobei er die Prozedur so lange wie möglich hinauszögerte.
»Vielen Dank«, meinte sie mit heiserer Stimme. »Es ist schon viel besser.«
Ihre Stimme holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Schluss mit dem Anfassen. Er schraubte die Dose wieder zu, steckte sie ein und stand auf.
»Mein Hemd ist hinüber«, sagte sie. »Ich weiß nicht, was ich zum Schlafen anziehen soll. Alles ist nass.«
»Du kannst mein trockenes Hemd haben.« Diese Vorstellung steigerte seine Erregung noch, falls das überhaupt möglich war.
»Und was nimmst du?«
»Heute Nacht brauche ich es nicht mehr. Und morgen ist mein anderes Hemd wieder trocken.«
»Danke.«
Er ging zu seiner Satteltasche, nahm sein blaues Batisthemd heraus und warf es ihr zu. »Ich übernehme die erste Wache, schaue nach den Pferden und behandle ihre Verletzungen mit der Salbe.«
»Sehr gut. Soll ich etwas zu essen machen?«
»Nein. Du brauchst Schlaf.«
Sie holte zwei Päckchen aus einer Satteltasche. »Hier sind Maisfladen und Dörrfleisch.«
Er steuerte auf die offene Hintertür zu. »Iss nur. Ich nehme mir später etwas.«
»Gut. Ich lege es für dich auf den Tisch.«
»Sieht aus, als ob der Regen nachlässt.«
»Rafe?« Er betrachtete sie. Sie war in die bunte Decke gewickelt und drückte sein Hemd an ihre Brust, ein Anblick, bei dem sein Herz viel zu schnell
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