Eine ungezaehmte Lady
tun, was man dir sagt.« Als er mit der Hand über ihren Hinterkopf und hinunter zu ihrem Rücken strich, empfand er ihren warmen Körper als wohltuenden Gegensatz zu dem kühlen Regen auf seiner Haut.
»Die Pferde zuerst.«
»Ich bringe dich ins Haus. Um die Pferde kümmere ich mich.«
»Nein.« Sie hob den Kopf und setzte sich stöhnend auf, indem sie sich an seiner Brust abstützte. »Dad sagte immer, die Pferde zuerst, Sharlot. Die Pferde zuerst. Ich darf ihn nicht enttäuschen.«
»Wer ist Sharlot?«
»Nur ein Versprecher«, erwiderte sie, schob sich das Haar aus der Stirn und biss sich auf die Unterlippe.«
»Aber du hast Sharlot gesagt.« Rafe richtete sich ebenfalls auf. Seine Sorge wegen ihrer Verletzung kämpfte gegen die Neugier.
»Ganz bestimmt nicht.«
»Doch.« Vorsichtig, aber mit Nachdruck, griff er nach ihrer Hand. Er wollte, dass sie ihm vertraute. »Ist das dein wirklicher Name?«
»Ich bin die Lady mit dem Colt, sonst nichts. Keine Vergangenheit, keine Gegenwart, keine Zukunft.« Sie entriss ihm ihre Hand, wandte sich ab und stemmte sich auf die Knie.
Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, einen traurigen Tonfall herausgehört, ja, sogar Tränen auf ihren Wangen gesehen zu haben. Doch wegen des Regens und der Dunkelheit konnte er nicht sicher sein. Er wusste nur, dass er mehr über sie erfahren musste. »Sharlot?«
Sofort wandte sie sich um.
»Ein wunderschöner Name, Sharlot.« In ihrer Überraschung, müde und verletzt, hatte sie ohne zu zögern reagiert. Offenbar war das wirklich ihr Name. »Er passt zu dir.«
»Lady genügt mir.«
»Lass uns eine Abmachung treffen. Ich bin Rafe. Du bist Sharlot.«
»Nein. Du bist ein Deputy, ich bin eine Gesetzlose.«
»Ich will dich nicht weiter Lady nennen, sondern deinen wirklichen Namen benutzen.«
»Und ich will die Pferde füttern und raus aus diesem Regen.« Sie stand auf, geriet ins Schwanken, fand ihr Gleichgewicht wieder und blieb trotzig auf wackeligen Beinen stehen. »Wenn wir so weitermachen, holen wir uns eine Lungenentzündung und nehmen den Kerlen, die uns lynchen wollten, die Arbeit ab.«
»Dann bringen wir dich besser ins Trockene.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, hob er sie in seine Arme und steuerte auf die Hintertür zu.
Sie war schwerer, als er erwartet hatte, doch andererseits war das bei einer Reiterin nicht weiter erstaunlich. Anscheinend verbargen sich unter der glatten Haut harte Muskeln. Er bekam Herzklopfen, als er sich vorstellte, wie sie ihn in wilder Leidenschaft umklammerte, bis sie sich beide schweißgebadet und befriedigt in die Arme sanken.
»Lass das!« Sie schlug mit den Fäusten auf seine Brust ein. Doch im nächsten Moment stöhnte sie vor Schmerzen auf und hielt sich den Kopf. »Ich will runter!«
»Wenn du dich sträubst, ist das nicht gut für deine Verletzung.« Er marschierte zum Haus. »Wie bereits gesagt, wirst du jetzt endlich mal auf jemanden hören.«
»Die Pferde.«
»Vertrau mir. Ich erledige das.« Er trat ein und trug sie, eine Spur Wasser hinter sich her ziehend, zum Schaukelstuhl, wo er sie vorsichtig absetzte.
Sie lehnte den Kopf an und schloss die Augen. »Das fühlt sich so gut an. Die Welt dreht sich nicht mehr.« Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. »Wenn du mich einen Moment ausruhen lässt, helfe ich dir mit den Pferden.«
»Ich habe doch …« Er hielt inne, als ihm klar wurde, dass sie eingeschlafen war. Vor schierer Erschöpfung sackte ihr Kopf vornüber. Sie war völlig durchnässt, ausgehungert und verletzt und hatte sich trotzdem gegen ihn gesträubt, um ihre Pflicht zu tun. Aber schließlich hatte sich ihr Körper gegen ihren eisernen Willen durchgesetzt. Zum Glück.
Er ließ sie weiterschlafen und versorgte die Tiere. Bald würden sie trockene Kleider, etwas Essbares und Ruhe brauchen.
Allerdings schien sich sein Körper nicht darum zu scheren. Seit er sie zuerst gesehen hatte, wurde er das Gefühl der Begierde nicht mehr los. Und es wollte sich einfach nicht legen. Wahrscheinlich war es das Beste, bei den Pferden zu übernachten. Wenn er hierblieb, würde er nur ständig daran denken, wie er sie am besten auf diese Pritsche bugsieren könnte.
Er trat hinaus in den Regen, wobei er sehr hoffte, dass keiner der Banditen das Versteck kannte. Zum Glück war niemand hier, der seine Gedanken lesen konnte und ahnte, wie sehr er der Lady mit dem Colt verfallen war.
11
Lady schreckte aus dem Schlaf hoch und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war.
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