Eine Unheilvolle Liebe
wiedergesehen?«
»Leider nein.«
Ich starrte Marian fassungslos an. »Leider?«
»Es war traurig, Ethan«, sagte sie kopfschüttelnd. »So traurig hatte ich deine Mutter noch nie zuvor gesehen. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte Angst, sie würde an gebrochenem Herzen sterben, so sehr hat sie das mitgenommen.«
Wir hatten den Weg eingeschlagen, der um den Garten des Immerwährenden Friedens herumführte. Jetzt waren wir inmitten von Bäumen angelangt und kaum jemand aus Gatlin konnte uns noch beobachten.
»Und dann?« Ich musste wissen, wie es endete, auch wenn es noch so wehtat.
»Und dann ist deine Mutter Macon durch die unterirdischen Gänge nach Gatlin gefolgt. So konnte es nicht ertragen, von ihm getrennt zu sein; sie schwor, sie würde einen Weg finden, damit sie zusammenbleiben konnten. Damit Caster und Sterbliche zusammenleben konnten. Sie war regelrecht besessen von dieser Idee.«
Das verstand ich gut. Ob es mir nun passte oder nicht, verstehen konnte ich es.
»Die Lösung für dieses Problem konnte ihr die Welt der Sterblichen nicht bieten, sondern nur die Welt der Caster. Deine Mutter fand eine Möglichkeit, Teil dieser Caster-Welt zu werden, auch wenn sie nicht mit Macon zusammen sein konnte.«
»Du sprichst davon, dass sie eine Hüterin geworden ist.«
Marian nickte. »Lila hatte eine Berufung gefunden, die es ihr ermöglichte, die Welt der Caster zu studieren, das Lichte wie auch das Dunkle. Auf diese Weise suchte sie nach einer Antwort.«
»Wie hat sie den Job bekommen?« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es bei den Castern so etwas wie die Gelben Seiten gab. Andererseits verteilte Carlton Eaton nicht nur über der Erde die Post, sondern auch unter der Erde bei den Castern. Wer weiß, vielleicht gab es in deren Welt nicht nur die Gelben Seiten, sondern auch Stellenanzeigen?
»Damals gab es noch keinen Hüter in Gatlin.« Marian machte eine Pause, es fiel ihr sichtlich schwer, weiterzusprechen. »Aber ein mächtiger Caster verlangte einen Hüter in der Lunae Libri , zumal sich damals auch das Buch der Monde dort befand .«
Jetzt war mir alles klar. »Macon. Er hat sie angefordert, stimmt’s? Er wollte in ihrer Nähe sein.«
Marian wischte sich mit einem Taschentuch übers Gesicht. »Nein. Es war Arelia Valentin, Macons Mutter.«
»Warum wollte ausgerechnet Macons Mutter, dass Mom eine Hüterin wird? Selbst wenn sie Mitleid mit ihrem Sohn hatte, sie wusste doch genau, dass es für die beiden kein Happyend geben würde.«
»Arelia ist eine Diviner, also eine sehr mächtige Seherin, die manches aus der Zukunft schauen kann.«
»So ähnlich wie Amma?«
Wieder wischte sich Marian übers Gesicht. »Man könnte es so sagen. Arelia erkannte, dass deine Mutter die Fähigkeit besaß, die Wahrheit zu entdecken. Dass sie die Gabe besaß, das zu erkennen, was verborgen war. Sie hoffte wohl, deine Mutter würde irgendwann einen Weg finden, damit Caster und Sterbliche zusammenkommen können. Die Lichten Caster haben immer gehofft, dass dies einmal möglich sein würde. Genevieve war nicht die Erste, die sich in einen Sterblichen verliebte.« Marian blickte gedankenverloren in die Ferne und sah zu, wie die Familien allmählich dazu übergingen, ihre Picknickdecken auf dem grasbewachsenen Hügel auszubreiten. »Aber vielleicht tat sie es auch ihrem Sohn zuliebe.«
Dann blieb sie stehen. Wir hatten den Friedhof einmal umrundet und näherten uns Macons Grab. Schon von Weitem sah ich den weinenden Engel. Sonst erinnerte jedoch nichts mehr an das düstere Begräbnis. Wo früher nur nackte Erde gewesen war, befand sich jetzt ein wuchernder Garten. Rechts und links des Grabmals spendeten zwei große Zitronenbäume Schatten. Darunter wuchsen Jasmin und Rosmarinbüsche. Ich fragte mich, ob heute schon jemand hier gewesen war, um das zu bemerken.
Ich presste die Hände gegen meine pochenden Schläfen, mein Kopf schien zu zerspringen. Sanft legte Marian mir ihre Hand auf den Rücken. »Ich weiß, du musst das alles erst einmal verdauen, aber an der Liebe deiner Mutter zu dir ändert das nichts.«
Ich stieß ihre Hand weg. »Ja, nur Dad hat sie leider nicht geliebt.«
Marian packte meinen Arm und zwang mich, ihr ins Gesicht zu sehen. Wir sprachen hier zwar über meine Mutter, aber eben auch über ihre beste Freundin, und sie würde es niemals zulassen, dass ich an ihr zweifelte. Weder heute noch sonst irgendwann. »Sag so etwas nicht, EW . Deine
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