Eine Unheilvolle Liebe
fließendem Stoff und mit einer locker gebundenen Schleife am Halsausschnitt. Nach unten fächerte es sich in tausend kleine Fältchen auf wie die Plisseekleider der Frauen in alten Stummfilmen. Es hätte auch Lena gut gefallen.
»Lila kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich so etwas nicht mache.« Sie nahm mich fester in den Arm. »Ich bin nur deinetwegen hergekommen.«
»Danke, Tante Marian. Die letzten Tage waren ziemlich hart.«
»Olivia hat es mir schon erzählt. Ein Caster-Club, ein Inkubus, ein Vex, und das alles in einer einzigen Nacht. Ich fürchte, Amma erlaubt dir nie wieder, mich zu besuchen.« Von dem Ärger, den, wie ich vermutete, Liv bekommen hatte, sagte sie nichts.
»Da ist noch etwas.« Lena. Ich konnte mich nicht überwinden, ihren Namen auszusprechen.
Marian sah mich an. »Ich habe es schon gehört und es tut mir leid. Aber ich habe dir etwas mitgebracht.« Sie griff in ihre Tasche und holte ein kleines Holzkästchen heraus, auf dessen Deckel ein ziemlich abgegriffenes Muster zu sehen war. »Wie gesagt, ich bin nur gekommen, um dir das hier zu geben. Es hat deiner Mutter gehört, es war einer ihrer wertvollsten Schätze. Es ist älter als die meisten Gegenstände ihrer Sammlung. Ich bin überzeugt, sie wollte, dass du es bekommst.«
Ich nahm das Kästchen an mich, es war unerwartet schwer.
»Sei vorsichtig, damit es nicht kaputtgeht.«
Ich öffnete behutsam den Deckel und rechnete damit, eines der vielen Sammlerstücke meiner Mutter aus dem Bürgerkrieg vor mir zu sehen – ein Fetzen von einer Fahne, eine Gewehrkugel, die Litze einer Uniform. Etwas, das wegen seiner Geschichte und seines Alters wertvoll war. Aber es war nichts davon, sondern etwas, das wertvoll war, weil es aus einer anderen Geschichte und einer anderen Zeit stammte. Ich wusste auf den ersten Blick, um was es sich dabei handelte.
Es war das Bogenlicht, das ich in den Visionen gesehen hatte.
Das Bogenlicht, das Macon Ravenwood dem Mädchen geschenkt hatte, das er liebte.
Lila Jane Evers.
Ich erinnerte mich an ein Kissen, das meiner Mutter schon als junges Mädchen gehört hatte. Darauf war ein Name gestickt gewesen. Jane. Tante Caroline hatte mir erzählt, dass nur meine Großmutter sie so genannt hatte – da ich meine Großmutter nie kennengelernt hatte, weil sie schon gestorben war, als ich auf die Welt kam, hatte ich es nie mit eigenen Ohren gehört. Tante Caroline hatte sich getäuscht. Meine Großmutter war nicht die Einzige gewesen, die meine Mutter Jane genannt hatte.
Und das hieß …
Meine Mutter war das Mädchen aus den Visionen.
Und Macon Ravenwood war die große Liebe ihres Lebens.
Das Bogenlicht
17.6.
Meine Mutter und Macon Ravenwood. Ich ließ das Bogenlicht fallen, als hätte ich mich daran verbrannt. Das Kästchen fiel zu Boden und die Kugel kullerte über das Gras wie ein harmloses Kinderspielzeug und nicht wie ein Dämonengefängnis.
»Ethan? Was ist los?« Marian war es offensichtlich nicht klar, dass ich das Bogenlicht bereits kannte.
Bei meinem Bericht über die Visionen hatte ich es nicht erwähnt, ich hatte mir auch keine großen Gedanken darüber gemacht. Für mich war es bloß ein weiteres Detail aus der Welt der Caster gewesen, das ich nicht verstand.
Jetzt stellte sich heraus, wie wichtig dieses Detail war.
Wenn es sich bei der Kugel tatsächlich um das Bogenlicht aus den Visionen handelte, dann hatte meine Mutter Macon so geliebt, wie ich Lena geliebt hatte. So wie mein Vater meine Mutter geliebt hatte.
Vielleicht konnte Marian mir sagen, woher und von wem meine Mutter es hatte. »Wusstest du Bescheid?«
Sie bückte sich, um die Kugel, deren dunkle Oberfläche in der Sonne glänzte, aufzuheben. Vorsichtig legte Marian sie in die Schachtel zurück. »Was meinst du damit? Ethan, ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
Fragen über Fragen schossen mir durch den Kopf. Wo hatte meine Mutter Macon Ravenwood kennengelernt? Wie lange waren die beiden zusammen gewesen? Wer sonst wusste davon? Und die Frage aller Fragen …
Was war mit meinem Dad?
»Hast du gewusst, dass meine Mutter in Macon Ravenwood verliebt war?«
Marians erschrockene Miene sprach Bände. Sie hatte mir bloß ein Geschenk meiner Mutter geben wollen, ihr tiefstes Geheimnis wollte sie ganz sicher nicht preisgeben. »Wer hat dir das gesagt?«
»Du selbst, indem du mir das Bogenlicht gegeben hast, das Macon dem Mädchen schenkte, das er liebte. Meiner Mutter.«
In Marians Augen traten Tränen, aber sie riss
Weitere Kostenlose Bücher