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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kami Garcia
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woran man vor dem Einschlafen gedacht hat. Aber je angestrengter ich versuchte, nicht an Macon und meine Mutter zu denken, desto mehr dachte ich an sie. Völlig erschöpft davon, an nichts zu denken, sank ich tiefer in die Matratze und immer weiter in die Dunkelheit hinein, in der sich mein Bett in ein Boot verwandelte …
    Über meinem Kopf schwankten die Äste der Weide. Ich schaukelte sachte hin und her. Der Himmel war blau, wolkenlos, unwirklich. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah zersplittertes Holz und abblätternde Farbe, die entfernt an das Blau meiner Zimmerdecke erinnerte. Ich lag in einer kleinen Jolle oder in einem Ruderboot und trieb auf dem Fluss. Als ich mich aufsetzte, fing das Boot an zu wackeln. Eine zarte weiße Hand hing über den Bootsrand, die schlanken Finger im kräuselnden Wasser, das ansonsten glatt und ruhig dalag und den makellosen Himmel widerspiegelte.
    Lena lag mir gegenüber im Boot. Sie hatte ein weißes Kleid an, wie man es aus alten Schwarz-Weiß-Filmen kennt, mit zarten Spitzen und Bändchen und Perlenknöpfen. Die eine Hand hatte sie ins Wasser getaucht, in der anderen hielt sie einen Sonnenschirm, der so schwarz war wie ihre Haare, ihre Fingernägel und sogar ihre Lippen. Sie lag zusammengerollt auf der Seite, gegen die Bootswand gestützt, und ließ die Finger durchs Wasser gleiten.
    »Lena?«
    Sie öffnete die Augen nicht, aber sie lächelte. »Ich friere, Ethan.« Jetzt war ihre Hand schon bis zum Gelenk im Wasser.
    »Es ist doch Sommer, das Wasser ist warm.« Ich wollte zu ihr, aber das Boot schaukelte heftiger, und sie rollte weiter an den Rand. Unter ihrem Kleid schauten die schwarzen Chucks hervor.
    Ich saß da und wagte es nicht, mich zu rühren.
    Jetzt reichte ihr das Wasser bis zum Arm und auch ihre Haarspitzen wurden benetzt.
    »Setz dich hin, L! Du fällst sonst noch aus dem Boot!«
    Sie lachte und ließ den Sonnenschirm fallen. Er trieb auf dem Wasser davon, drehte sich wie ein Kreisel in den Wellen. Ich kroch zu ihr, obwohl das Boot bedrohlich schaukelte.
    »Hat dir das niemand gesagt? Ich bin schon längst gefallen.«
    Ich machte einen Satz, um sie zu packen. Es war unmöglich, es durfte nicht passieren. Aber es geschah dennoch. Ich wusste es, denn ich wartete auf das klatschende Geräusch.
    Als ich gegen die Bootskante prallte, schlug ich die Augen auf. Die Welt schwankte … und Lena war nicht mehr da. Ich sah nur noch das schlammige braungrüne Wasser des Santee River und ihre schwarzen Haare. Zu keinem klaren Gedanken fähig, streckte ich die Arme nach ihr aus.
    Spring oder bleib im Boot!
    Die Haarsträhnen trudelten in die Tiefe – widerspenstig, lautlos und so atemberaubend anzusehen wie ein Fabelwesen aus dem Meer. Ich sah undeutlich ein verschwommenes weißes Gesicht in den Wellen. Gefangen unter einer gläsernen Oberfläche.
    »Mom?«
    Hustend und in Schweiß gebadet, setzte ich mich im Bett auf. Das Mondlicht fiel durch mein Fenster, das schon wieder offen stand. Schlaftrunken taumelte ich ins Bad und schlürfte Wasser aus der hohlen Hand, bis der Husten nachließ. Ich blickte in den Spiegel. Es war dunkel, nur vage erkannte ich meine Umrisse. Ich versuchte, mich auf meine Augen zu konzentrieren. Aber stattdessen sah ich etwas anderes … ein Licht in der Ferne.
    Plötzlich waren da kein Spiegel mehr und auch keine Umrisse meines Gesichts, nur noch das Licht und aufblitzende Bilder, die in Sekundenschnelle auf mich zurasten.
    Ich begriff nicht, was sich da abspielte, die Bilder flogen viel zu schnell an mir vorbei, sie hüpften auf und ab, als säße ich auf einem Pferd. Vor mir lag die Straße, nass glänzend und dunkel. Sie war dicht vor meiner Nase, als kröche ich auf der Erde – was ich garantiert nicht tat, erst recht nicht in dieser Geschwindigkeit. Zu beiden Seiten waren jetzt hohe Mauern und die Straße schien sich vor mir aufzuwölben.
    Ich sah nur das Licht und die Straße, die so seltsam nahe war. Benommen klammerte ich mich an das Waschbecken, spürte das kalte Porzellan unter meinen Händen. Mir war schwindelig und ich hielt mich nur mit Mühe auf den Beinen. Die Bilderfetzen schwirrten endlos an mir vorbei, doch plötzlich änderte sich der Blickwinkel, wie wenn ich in einem Labyrinth um die Ecke gebogen wäre, und alles verlangsamte sich.
    Zwei Personen standen an die Mauer eines schäbigen Backsteinhauses gelehnt, beleuchtet vom Schein einer Straßenlaterne. Das war das Licht, das ich mal deutlicher, mal verschwommener wahrgenommen

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