Eine Unheilvolle Liebe
Link skeptisch.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden«, sagte ich und ging voraus.
Während wir unseren Weg zwischen vermoderten Brettern auf dem muschelübersäten Strand suchten, taumelte ich zwischen den verschiedenen Wirklichkeiten hin und her. Ich war hier und ich war doch nicht hier. Die Visionen kamen und gingen. Gerade noch hörte ich, wie Ridley und Link sich zankten, im nächsten Moment hüllte mich Dunst ein, und ich war wieder in Macons Vergangenheit. Ich nahm an, die Visionen sollten mir einen Hinweis geben, aber sie folgten jetzt so schnell aufeinander, dass ich sie nicht entschlüsseln konnte.
Ich musste an Amma denken. Sie hätte jetzt sicherlich gesagt: »Alles hat etwas zu bedeuten.« Und was hätte sie sonst noch gesagt?
V. O. R. A. H. N. U. N. G. Neun senkrecht. Sprich: Achte auf das Jetzt, Ethan Wate, denn es zeigt dir, was als Nächstes kommt.
Sie hatte wie immer recht – alles hatte etwas zu bedeuten, alles konnte uns eine Vorahnung von Künftigem geben. Die Art, wie Lena sich veränderte, hätte mir Hinweise geben können, wenn ich nur imstande gewesen wäre, sie zu verstehen. Und wieder blieb mir nichts anderes übrig, als die Schnipselchen meiner Visionen zusammenzufügen, um darin einen Sinn zu erkennen.
Aber ich kam nicht mehr dazu, denn als wir an der Brücke angelangt waren, überfiel es mich wieder. Der Holzsteg begann zu schwanken und die Stimmen von Ridley und Link schienen von ganz weit her zu kommen …
Im Zimmer war es dunkel, aber Macon brauchte kein Licht, um zu sehen. In den Regalen reihte sich ein Buch an das andere, ganz so wie in seiner Erinnerung. Es waren die unterschiedlichsten Werke zur amerikanischen Geschichte, besonders aber zu den beiden Kriegen, die dieses Land geprägt hatten – der Unabhängigkeitskrieg und der Bürgerkrieg. Macon strich mit dem Finger über die ledernen Buchrücken. Jetzt nutzten ihm diese Bücher nichts mehr.
Er kämpfte in einem ganz anderen Krieg. Es war ein Krieg unter Castern, der in seiner eigenen Familie tobte.
Er hörte Schritte von oben, dann das Geräusch des Halbmondschlüssels, der ins Schloss gesteckt wurde. Holz knarrte, ein Lichtstrahl drang herein, als sich die Luke an der Decke über ihm öffnete. Er wollte die Hand ausstrecken, ihr beim Herabsteigen helfen, aber er wagte es nicht.
Jahre waren vergangen, seit er sie zum letzten Mal gesehen oder berührt hatte.
Sie hatten sich nur in ihren Briefen getroffen oder zwischen den Buchdeckeln verständigt, mit Mitteilungen, die sie für ihn in den Tunneln hinterlegt hatte. Aber während dieser Zeit hatte er sie weder gesehen noch ihre Stimme gehört. Marian hatte darauf bestanden.
Sie stieg durch die Tür des Deckenverschlags und von oben fiel Licht in den Raum darunter. Macon stockte der Atem. Sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Eine rote Lesebrille hielt ihr glänzendes braunes Haar zurück. Sie lächelte.
»Jane.« So lange schon hatte er ihren Namen nicht mehr laut ausgesprochen. Er war wie eine schöne Melodie.
»So hat mich niemand mehr genannt, seit …« Sie senkte den Blick. »Ich nenne mich jetzt Lila.«
»Natürlich, das weiß ich ja.«
Lila war aufgeregt, ihre Stimme bebte, als sie sagte: »Es tut mir leid, dass ich einfach so hergekommen bin, aber es gab keinen anderen Weg.« Sie wich seinem Blick aus, es war ein schmerzliches Wiedersehen für sie beide. »Was ich dir sagen muss, konnte ich dir nicht einfach als Botschaft schicken oder als Notiz hier in deinem Arbeitszimmer hinterlegen.« Manchmal steckte Lila Mitteilungen zwischen die Seiten der Bücher, die sie für ihn dort deponierte. Es waren niemals persönliche Botschaften. Es ging immer um ihre Forschungen in der Lunae Libri – mögliche Antworten auf Fragen, die sie beide bewegten.
»Es ist schön, dich wiederzusehen.« Macon trat einen Schritt auf sie zu und Lila erstarrte. »Keine Sorge«, sagte er gekränkt. »Ich kann meinen Drang zügeln.«
»Das ist es nicht. Ich … ich hätte nicht herkommen dürfen. Ich habe Mitchell gesagt, dass ich noch bis spät nachts im Archiv zu tun hätte. Ich belüge ihn nicht gerne.« Natürlich. Sie fühlte sich schuldig. Sie war noch immer so aufrichtig, wie er sie in Erinnerung hatte.
»Wir sind in einem Archiv.«
»Haarspaltereien, Macon.«
Als er seinen Namen aus ihrem Mund hörte, holte er tief Luft. »Was ist so wichtig, dass du es wagst, zu mir zu kommen, Lila?«
» Ich bin auf etwas gestoßen, das dein
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