Eine Unheilvolle Liebe
Hände in die Hüften, doch dann sagte sie sanft: »Es wird schon klappen mit den Prüfungen und vielleicht backe ich euch ja einen Kuchen.«
»Vielleicht sogar einen Pfirsichkuchen, Ma’am?«
Amma schniefte, dann nickte sie. »Schon möglich.«
Sie würde es zwar niemals zugeben, aber Amma hatte nach all den Jahren eine Schwäche für Link entwickelt. Er selbst dachte, sie hätte Mitleid mit seiner Mutter, nach ihrer Körperfresser-Begegnung mit Sarafine, doch da irrte er sich. Amma hatte Mitleid mit ihm. »Ich kann gar nicht glauben, dass der Junge mit dieser Frau unter einem Dach leben muss. Es wäre besser für ihn, er würde von Wölfen aufgezogen werden.« Das hatte sie erst letzte Woche gesagt und dann ein Stück Nusskuchen für ihn eingepackt.
Link sah mich an und grinste. »Dass Lenas Mutter die Gestalt meiner Mom angenommen hat, ist das Beste, was mir je passiert ist. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Kuchen von Amma bekommen.« Das war mehr oder weniger sein einziger Kommentar zu dem Albtraum, der sich an Lenas Geburtstag abgespielt hatte. Er drückte das Gaspedal durch und die Schrottkiste düste die Straße hinunter. Unnötig zu sagen, dass wir wie immer spät dran waren.
»Hast du für Englisch gelernt?« Es war eigentlich keine Frage, ich wusste ja, dass Link seit Jahren kein Schulbuch mehr angerührt hatte.
»Nö. Ich muss von jemandem abschreiben.«
»Von wem denn?«
»Was geht’s dich an? Von jemandem, der schlauer ist als du.«
»Ach ja? Das letzte Mal hast du von Jenny Masterson abgekupfert und ihr habt beide eine Fünf bekommen.«
»Ich hatte keine Zeit zu lernen. Ich hab einen Song geschrieben. Vielleicht spielen wir ihn auf dem Jahrmarkt. Pass mal auf.« Link sang zu dem Lied aus dem Lautsprecher mit, was komisch klang, denn er hatte sich selbst aufgenommen. »Lollipop girl, took off without a word, was calling out your name, but you never heard.«
Na toll. Wieder ein Song über Ridley. Alles andere hätte mich auch überrascht, denn seit vier Monaten schrieb Link nur noch Songs über Ridley. Wie es aussah, kam er einfach nicht von Lenas Cousine los, die so ganz anders war als Lena. Ridley war eine Sirene, die ihre Gabe der Verführung dazu benutzte, das zu bekommen, was sie wollte; sie brauchte dafür nur einen Lolli in den Mund zu stecken. Und eine Zeit lang hatte sie Link haben wollen. Sie hatte ihn nur ausgenutzt und war dann abgehauen, trotzdem war er immer noch nicht über sie hinweg. Ich konnte ihm keinen Vorwurf machen. Es war garantiert nicht einfach, in eine Dunkle Caster verliebt zu sein. Das war ja schon bei einer Naturgeborenen schwer genug.
Ich dachte an Lena und trotz des ohrenbetäubenden Lärms und Links lauter Stimme hörte ich plötzlich Seventeen Moons. Aber jetzt war der Text ein anderer.
Seventeen moons, seventeen turns,
Eyes so dark and bright it burns,
Time is high but one is higher,
Draws the moon into the fire …
Time is high ? Es ist höchste Zeit? Was sollte das denn wieder heißen? Bis zu Lenas Siebzehntem Mond waren es noch acht Monate. Warum war es jetzt höchste Zeit? Und was war mit dem Feuer?
Link versetzte mir einen Schlag gegen den Kopf und der Song verklang. Er versuchte, das Demo-Band zu übertönen, und plärrte: »Wenn ich jetzt den Backbeat noch hinkriege, dann rockt es richtig.« Ich starrte ihn ausdruckslos an und er versetzte mir noch einen Schlag. »Nimm’s nicht so schwer, Mann. Ist doch nur ’ne Prüfung. Du siehst schon genauso durchgeknallt aus wie Miss Luney von der Essensausgabe.«
Die Sache war: Er hatte gar nicht so unrecht damit.
Als die alte Karre auf dem Parkplatz der Jackson High hielt, kam es mir gar nicht so vor, als wäre heute der letzte Schultag. Für die zwölfte Klasse war es das auch nicht. Sie hatten morgen ihre Abschlussfeier, und danach gab es traditionsgemäß eine Party, die die ganze Nacht dauerte und bei der mehr als nur einer knapp an einer Alkoholvergiftung vorbeischrammte. Aber wir anderen von der Oberstufe hatten noch eine Prüfung, bis wir endlich erlöst waren.
Savannah und Emily gingen an uns vorbei, ohne uns zu beachten. Ihre kurzen Röckchen waren heute noch kürzer als sonst und unter ihren Tanktops schauten Bikini-Träger heraus. Batik und pink kariert.
»Hey, endlich Bikini-Saison.« Link grinste.
Das hatte ich beinahe vergessen. Nur noch eine Prüfung trennte uns von einem Nachmittag am See. Jeder, der etwas auf sich hielt, hatte heute Badesachen unter seinen
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