Eine Unheilvolle Liebe
Pakete der Bibliothek säuberlich aufgestapelt in Macons Arbeitszimmer lagen. Oder warum sich eine angesehene Professorin der Duke University mit einer Stelle als Bibliothekarin in Gatlin zufriedengab, auch wenn sie eine Hüterin war. Warum Marian und Macon so gut wie unzertrennlich gewesen waren, was man bei einem zurückgezogen lebenden Inkubus, der nie das Haus verließ, nicht unbedingt erwartet hätte.
Vielleicht hatten sie sich all diese Jahre lang geliebt.
Ich sah mich im Raum um und entdeckte die Holzkiste, in der Macon seine Gedanken und Geheimnisse aufbewahrt hatte. Noch während ich mich wunderte, wie sie hierhergekommen war, ging ich zu dem Regal, in dem sie stand.
Ich schloss die Augen und griff nach ihr …
Ein letztes Treffen mit Jane – das war es, was sich Macon am meisten wünschte und was er zugleich am meisten fürchtete. Er hatte sie schon seit Wochen nicht mehr gesehen, wenn man die Nächte nicht rechnete, in denen er ihr heimlich von der Bibliothek bis nach Hause gefolgt war, sie aus der Ferne beobachtet und sich danach gesehnt hatte, sie zu berühren.
Allerdings nicht gerade jetzt, da seine Verwandlung unmittelbar bevorstand. Aber sie war da, obwohl er es ihr verboten hatte. »Jane, du kannst hier nicht bleiben. Es ist zu gefährlich.«
Sie kam langsam durchs Zimmer auf ihn zu. »Verstehst du denn nicht? Ich muss hier sein.«
»Ich weiß.« Macon zog sie an sich und küsste sie ein letztes Mal.
Dann öffnete er die kleine Schachtel, die hinten in seinem Schrank lag. Er entnahm ihr etwas, legte es Jane in die Hand und schloss ihre Finger darum. Es war eine perfekte Kugel, rund und glatt. Er nahm ihre Hände in die seinen und sagte feierlich: »Nach meiner Verwandlung kann ich dich nicht mehr beschützen vor dem, was die größte Gefahr für dich ist: vor mir.« Er blickte auf ihrer beider Hände, die gemeinsam den Gegenstand umschlossen, den er so sorgsam aufbewahrt hatte. »Wenn etwas passiert und du in Gefahr schwebst … dann benutze dies.«
Jane öffnete ihre Hand. Die Kugel war schwarz und schimmerte wie eine dunkle Perle. Aber noch während sie sie betrachtete, veränderte sich die Kugel und begann zu leuchten. Jane spürte, wie die Kugel ganz leicht vibrierte. »Was ist das?«
Macon wich einen Schritt zurück, als fürchte er die Kugel, die nun zum Leben erwacht war. »Es ist ein Bogenlicht.«
»Wozu ist es gut?«
»Wenn es so weit ist und ich eine Gefahr für dich geworden bin, dann wirst du mir gegenüber schutzlos sein. Dann kannst du mich weder töten noch mir Schmerz zufügen. Das vermag nur ein anderer Inkubus.«
Janes Miene verdüsterte sich. »Ich könnte dir ohnehin nie etwas zuleide tun«, flüsterte sie.
Macon beugte sich vor und strich ihr zärtlich über die Wange. »Ich weiß, aber selbst wenn du es wolltest, könntest du es nicht. Kein Sterblicher kann einen Inkubus töten. Deshalb brauchst du das Bogenlicht. Es ist das einzige Mittel, um einen wie mich einzufangen. Das einzige Mittel, mit dem du mich aufhalten könntest, falls ich … «
»Was meinst du mit einfangen?«
Macon wandte sich ab. »Es ist eine Art Käfig, Jane. Es ist der einzige Käfig, aus dem wir nicht ausbrechen können.«
Jane betrachtete die dunkel schimmernde Kugel. Jetzt da sie wusste, wozu sie diente, schien sie ihr ein Loch in Hand und Herz zu brennen. Jane ließ die seltsame Kugel auf Macons Schreibtisch fallen und sie rollte über die Tischplatte. Das Glühen erlosch und die Kugel war wieder tiefschwarz. »Glaubst du wirklich, ich würde dich in dieses Ding einsperren wie ein Tier?«
»Es wird schlimmer sein als bei einem Tier.«
Tränen liefen über ihr Gesicht, benetzten ihre Lippen. Sie fasste Macon am Arm, zwang ihn, ihr ins Gesicht zu sehen. »Wie lange müsstest du in der Kugel bleiben?«
»Ich nehme an, für immer.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist völlig ausgeschlossen. Wie könnte ich dich zu so einem entsetzlichen Schicksal verdammen?«
Macons Augen schimmerten feucht. Waren es Tränen? Jane wusste, dass das unmöglich war. Er hatte keine Tränen, die er vergießen konnte, und doch hätte sie schwören mögen, dass Tränen in seinen Augen blitzten.
»Wenn dir etwas zustoßen würde, wenn ich dir etwas zuleide täte, dann würdest du mich zu einem Schicksal verdammen, zu einer ewigen Qual, die weit schlimmer ist als alles, was mich in der Kugel erwartet.« Macon nahm das Bogenlicht und hielt es zwischen sie beide. »Schwöre mir, dass du es benutzt, wenn es
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