Eine unzüchtige Lady
schielt.«
»Amen.« Allein der Gedanke an eine junge Unschuld, die in
diese Wette verstrickt werden könnte, verbot sich. Der Wetteinsatz war kaum mehr als ein amüsanter Zeitvertreib gewesen; inzwischen jedoch war die Sache ein bisschen außer Kontrolle geraten. Rückblickend betrachtet war die dritte Flasche Claret an jenem Abend eine schlechte Idee gewesen, aber besonders Derek schien es darauf angelegt zu haben, sich dem Vergessen entgegenzutrinken.
Nun, da Nicholas länger darüber nachdachte, war das nicht so ganz Dereks Art. Er konnte den Finger nicht darauflegen, aber er hatte das Gefühl, irgendetwas sei anders als sonst. Derek verfügte normalerweise über einen guten Humor, doch dieser schien zuletzt eher gekünstelt zu sein. Sein lässiger Charme war einer der Gründe dafür, dass Frauen ihn so attraktiv fanden. Aber er wirkte zumindest in den letzten Monaten gleichermaßen bedrückt und abgelenkt.
»Wir müssen das hier nicht machen, weißt du«, erinnerte Nicholas seinen Gefährten und beobachtete zugleich dessen Gesicht, um Dereks Reaktion abzuschätzen. Die Glut des Brandys stimmte ihn milde und nachdenklich. »Es war ein impulsiver Spaß zwischen zwei Freunden, und wir neigen dazu, miteinander in Konkurrenz zu stehen. Das ist kein Geheimnis.«
»Wollen wir etwa kneifen, Nick?«, fragte Derek mit bitter tadelnder Stimme. Blond, groß und mit Augen, die so blau wie der Azur des Himmels waren, engelsgleich gutaussehend - er war der helle Gegensatz zu Nicholas’ dunklen Farben. »Wer könnte es dir verdenken? Schließlich wirst du verlieren.«
Da war es wieder, diese untypische, ruhelose Stichelei. Es funktionierte aber. Nicholas schnaubte, weil sein Freund eine so selbstgefällige Miene an den Tag legte. »Was lässt dich so denken? Der Schwarm fader Ladys, die permanent in deinem Bett liegen? Lass mich dich daran erinnern, dass Quantität keine Qualität zu ersetzen vermag, Manderville.«
»Wenn du versuchst, mir weiszumachen, du wärst weniger wahllos, Rothay, dann kannst du diese Behauptung jemand anderem verkaufen.«
Das versuchte er gar nicht, und er musste an sich halten, eine irritierte Antwort zu unterdrücken. Er wechselte häufig seine Partnerinnen, egal was auch immer die Gerüchte über sein Privatleben verkündeten. Nicholas genoss die Frauen - aber seinem Ruf zum Trotz wählte er seine Gespielinnen mit Bedacht und bemühte sich um Diskretion. Insofern wusste er, dass Derek nicht so verderbt war, wie man sich hinter vorgehaltener Hand zuraunte, und ähnlich war es auch bei ihm. Zuletzt hatte er nichts davon gehört, dass Derek nach einer bestimmten Lady strebte. Wenn er nicht zölibatär lebte, hielt er sich in dieser Sache zumindest zurück.
Vielleicht kam daher diese impulsive Wette. Dereks Herausforderung und seine eigene Antwort, die aufgrund der ihnen beiden vertrauten Rastlosigkeit hervorgerufen wurden, weil … nun, er war sich nicht sicher. Zu viel innere Einsicht war nicht gut für sein Seelenheil.
Nicht für eine befleckte Seele wie die seine.
Zu seiner eigenen und Dereks Verteidigung konnte er zumindest vorbringen, dass die zumeist zwanglosen Affären eine angenehme Abmachung zwischen zwei Parteien waren, ohne innige Gefühle. Obwohl Nicholas bezweifelte, dass die gute Gesellschaft das von ihm glauben würde, dachte er stets, eine Ehe sollte sich auf mehr stützen außer der Blutlinie einer Frau und ihrer Fähigkeit, ein Kind mit dem richtigen Geschlecht zur Welt zu bringen. Die Tatsache, dass er ein Romantiker war, behielt er lieber für sich. Nicht weil es eine unzeitgemäße Haltung war, sondern weil er es geheim halten wollte. Gott allein wusste, dass er viel zu wenig Privatsphäre hatte, wenn man seine aristokratische Erziehung und die Bekanntheit seiner Familie bedachte.
Und dann hatte er die Sache nur noch schlimmer gemacht, indem er dieser haarsträubenden Wette zugestimmt und sich so noch mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gestellt hatte.
Nicholas rieb sich das Kinn. »Ich muss mich mehr langweilen, als mir bisher bewusst gewesen ist«, gab er zu. »Dass ich es überhaupt in Erwägung ziehe, eine Frau zu beschlafen, die dabei eine Wertungsliste zur Hand hat.«
»Dann leiden wir beide unter derselben Krankheit.« Manderville warf ihm einen zynischen Blick zu. »Aber wir haben damit angefangen. Lass es uns so betrachten: Wenn diese Nachricht echt ist, können wir dieser Lady einen Gefallen tun, indem wir ihre Meinung über die
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