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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tiefgrüne Blätter zu hacken und zu kochen. Sie schmeckten bitter wie Galle und erzeugten nach einer Stunde einem taumeligen Zustand. Die Welt veränderte sich in allen Farben, und man hörte Klänge, die sonst nirgendwo auf der Welt vorkommen, ein sphärisches Klingen, als bestünde alles um sie herum aus schwingendem Glas.
    Sie rührten die Blätter nie wieder an.
    »Sie werden uns hier nicht finden«, sagte Schwester Rudolpha schwach. Sie lag jetzt im Schatten des Wracks, und Gloria kühlte mit Regenwasser, das sie in einer Zeltplane aufgefangen hatte und das sich in den Beulen des Flugzeugrumpfes sammelte, Kopf und Körper der Kranken. Sie hatten Schwester Rudolpha ausgezogen. Im Angesicht des Todes ist auch der Ordensschwur, nie mehr den sündigen Körper zu zeigen, überholt. Nackt lag sie auf einer Decke, die alte, fahle Haut, die seit vierzig Jahren keine Sonne gesehen hatte, war mit kleinen Pusteln übersät. Von der Wunde lief ein roter Streifen den Arm hinunter und zog sich als tiefrote Schwellung unter der Achsel entlang in die Lymphbahn. Peters verstand nicht viel von Medizin, aber als er das sah, wußte er, daß nicht mehr viel zu machen war. Stumm blickte er Gloria an, und sie nickte ihm zu.
    »Ihr wartet nur, bis ich sterbe?« fragte Schwester Rudolpha mühsam. »Dann versucht ihr, euch durchzuschlagen, nicht wahr? Warum wartet ihr? Das ist eine alte Frau nicht mehr wert. Gott wird dich segnen, mein Kind. Los, versucht, aus dem Wald zu kommen!«
    »Nur noch ein paar Tage, dann geht es Ihnen besser, Schwester«, sagte Gloria gepreßt. »Das ist jetzt eine Krise, wie mein Vater immer sagt. Der Höhepunkt der Krankheit. Der Körper wehrt sich. Aber dann geht es wieder aufwärts.«
    Schwester Rudolpha lächelte gequält. »Du lügst schlecht, mein Kind«, sagte sie. »Und im übrigen regt es mich auf, daß ich euch soviel Arbeit mache.«
    Am nächsten Tag wurde sie besinnungslos. Und sie blieb fünf Tage in diesem Zustand, ehe sie starb.
    In diesen neun Tagen, nach dem letzten Krümel Keks und dünnstem Scheibchen Dauerwurst, hatten sie gehungert. Alles, was Gloria gelernt hatte, war hier nicht anwendbar. Hier konnte man keine Tierfallen legen, das Schießen mit Pfeil und Bogen wurde zu einem lächerlichen Spiel zwischen Affen und Mensch, ein Fluß mit Fischen war nicht in der Nähe. Nur der schwarze Panther war da. Er stand ab und zu am Rande der Lichtung, muskelbepackt, herrlich anzusehen in seinem lackschwarzen Fell, die grünen, bösen Augen eng beieinander, den Körper etwas geduckt, bereit zum Sprung, und mit dem Schweif den Boden peitschend.
    »Komm her!« sagte Peters. »Komm her, du Aas!« Er lehnte an dem Wrack und hatte das Beil in der rechten und eine Stange mit einem daran festgebundenen Messer in der linken Hand. Ein lächerlicher Speer, aber immerhin eine verlängerte Klinge.
    »Nun spring schon. Ich weiß nicht, ob man dich essen kann, aber du bist Fleisch! Und wenn du wie Scheiße schmeckst, ich fresse dich! Los, komm schon! Ich habe seit acht Tagen nicht mehr gekaut.«
    Wenn der Panther nicht da war – und er erschien immer zur gleichen Zeit, morgens um sieben und abends um zehn –, suchten Gloria und Peters die Umgebung nach etwas Eßbarem ab.
    Was sie fanden, waren dicke, weiße Maden, Riesenraupen mit langen Haarpelzen und braungrüne Baumschlangen, die nur Gloria entdeckte. Für Peters sahen sie aus wie Lianen.
    Aus diesen Maden, Raupen und Schlangen kochte Gloria ein Gulasch. Zerteilt und gekocht sahen sie aus wie kleingeschnittenes Kalbfleisch. Die Soße war fettig, und alles schmeckte ein wenig süßlich.
    Peters würgte das erstemal drei Löffel hinunter, sprang dann auf, rannte hinter das Wrack und erbrach sich. Als er zurückkam, kniete Gloria neben Schwester Rudolpha und flößte ihr die Madenbrühe ein.
    »Ich kann nicht, Gloria –«, sagte Peters keuchend. »Nicht, wenn ich sie vorher gesehen habe. Mein Magen stülpt sich um.«
    »Wir haben nur eine Wahl: verhungern oder das essen!« Sie tauchte den Löffel in das ›Gulasch‹ und aß ein paar Bissen, ohne das Gesicht zu verziehen. Peters starrte sie an, sein Mund zuckte vor Ekel. »Die feinen Leute essen Froschschenkel und Schnecken, Schildkröten und Schwalbennester, Tintenfische und Austern; warum ist eine Made oder eine Raupe nicht genausogut?« sagte sie.
    »Das hast du von deinem Vater gelernt, was?«
    Seit drei Tagen duzten sie sich. Ohne Anlaß, es war einfach da, denn es war blödsinnig, sich in ihrer Lage noch

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