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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Weg durch den Urwald, rasteten dreimal, und Serra zeigte seine Fähigkeit, lautlos einen Affen zu erlegen. Er schleuderte blitzschnell eines seiner doppelseitig geschliffenen Messer auf eines der Tiere, das neugierig auf einem Ast hockte. Der Affe kreischte noch einmal auf, griff sich an die Brust und fiel vom Baum. Das scharfe Messer stak genau in seinem Herzen.
    »Sie sind ein fürchterlicher Mensch«, sagte Peters heiser.
    »Wieso? Wollen Sie verhungern?«
    »Wie Sie das Messer werfen! Können Sie noch mehr solche Kunststücke, Antonio?«
    »Genug. Bei mir ist alles eine Waffe. Jeder Finger, jedes Fingerglied. Das muß so sein, Senhor, sonst überleben Sie hier nicht. Los, häuten Sie den Affen ab, ich mache Feuer.«
    Später, als der Affe über dem Feuer hing, hatte Peters Mühe, ihn anzusehen. Der brutzelnde Affe sah aus wie ein Kind, das man aufgespießt hatte und nun genußvoll über dem Feuer drehte. An dem ersten Bissen würgte er über eine Minute, kämpfte gegen eine rasende Übelkeit, aber dann schluckte er ihn hinunter. Der Hunger war stärker als sein Ekel. Er dachte an die dicken, weißen Maden und die pelzigen Raupen, die Gloria und er nach dem Flugzeugabsturz gegessen hatten – dagegen war der kleine Affe eine Delikatesse, wenn man ihn nicht ansah.
    Erst beim Essen kam es Peters zum Bewußtsein, daß es schon Abend war und die Dunkelheit die kleinen Stückchen Himmel überzog, die sie ab und zu zwischen den riesigen Baumkronen sehen konnten. »Ein mieser Tag!« sagte Peters laut.
    »Wieso?«
    »Wie weit sind wir gekommen? Ein paar hundert Meter! Auf diese Weise brauchen wir ein paar Wochen, um bei Gloria zu sein.«
    »Sie können ja den nächsten Schnellzug nehmen!« Serra kaute mit vollen Backen. »Heute war sogar ein guter Tag. Je weiter wir flußaufwärts kommen, um so langsamer wird's gehen! Bis heute weiß noch keiner, wo die Ximbús wohnen. Gesehen hat sie noch niemand. Das ist so etwas wie ein Sagenvolk. Einmal habe ich Kontakt gehabt mit den Yinca, das ist ein anderer Stamm, der neben den Ximbús wohnen soll. Die Yinca haben bisher neunundvierzig Köpfe verloren, aber noch keinen Ximbúkopf erbeutet. So ein Volk ist das! Übrigens, merken Sie was? Hier wird Popularität nach Köpfen gemessen. Eigentlich ein ehrlicher Verein. Unsere Politiker denken genauso, aber sie sprechen's nie aus!«
    In der Nacht wachte Peters auf und drehte sich nach Serra um. Er lag, wie Peters, eingewickelt in ein Moskitonetz auf einer Decke und schnarchte laut.
    Peters richtete sich auf, schälte sich aus seinem Netz und tippte Serra mit dem Zeigefinger an. »Antonio«, rief er leise.
    Serra schnarchte weiter.
    Welch eine Gelegenheit, dachte Peters. Sie kommt nie wieder.
    Aber auch welch ein Risiko. Wacht er dabei auf, habe ich keine Chance mehr.
    Er beugte sich über Serra, schlug ganz vorsichtig das Netz zurück und zog Millimeter um Millimeter die beiden scharfen Messer aus Serras Gürtel. Dann holte er die Pistole aus dem Futteral und nahm das Gewehr an sich, das neben dem Schlafenden lag wie eine Frau. Er hatte den Arm um die Waffe gelegt und an sich gezogen. Serra schlief noch immer, atmete kräftig durch und genoß im Schlaf seine Sorglosigkeit.
    Am Morgen schrak er hoch, als Peters ihm einen leichten Fußtritt gab. Sofort packte er nach seinem Gewehr und griff in die Erde. Mit einem dumpfen Laut sprang er auf. Peters stand drei Schritte vor ihm, das Gewehr auf ihn gerichtet, in seinem Hosenboden die Pistole und die Messer.
    »Sie haben nichts mehr, Antonio«, sagte er scharf. »Es ist nicht weit her mit ihrem nächtlichen Gehör. Von wegen: Sie hören, ob ein Vogel fliegt oder sein Gefieder schüttelt. Sie haben geschnarcht wie ein ganzer besoffener Kegelclub! Jetzt bin ich am Drücker.«
    Serra spreizte die wehrlosen Finger. Seine dunklen Augen glitzerten. »Was steht auf dem Programm, Hellmut?« fragte er mit belegter, rostiger Stimme.
    »Wir kehren zum Fluß zurück und suchen auf dem schnellsten Weg Gloria.«
    »Genau für so verrückt habe ich Sie immer gehalten. Ich weigere mich.«
    »Dann drücke ich ab.«
    »Bitte! Ein toter Scout nützt Ihnen gar nichts.« Serra suchte in seinen Taschen, fand eines der verteufelten Wurzelstückchen und steckte es wie einen Bonbon in den Mund. »Und mit dem Tod können Sie mich nicht schrecken. Mich nicht! Jeder andere macht die Hose voll, wenn's bei vollem Bewußtsein ans Sterben geht … ich lächle. Los, drücken Sie ab! Worauf warten Sie noch? Ich weiß, warum

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