Eine verlaessliche Frau
schön sie sei und dass er ihrer nie überdrüssig werden würde, und sie glaubte ihm.
Sie kam mit in die primitive Bierhalle, in der er Klavier spielte, und sie flirtete mit anderen Männern direkt vor seinen Augen, denn sie wusste, er würde nichts unternehmen. Manchmal gab es Schlägereien, Arbeiter im Sonntagsstaat, die in Wut gerieten, und sie entfernte sich nicht mal von ihrem Tisch.
Hinterher gingen sie in die Opiumhöhlen, wo Chinesinnen sie entkleideten, sie in Seide hüllten, ihre nackten Körper mit warmem Duftöl massierten und sie mit schwarzen, gummiartigen Opiumkügelchen fütterten. Im Morgengrauen gingen sie nach Hause, und sie zog wieder ihre andere Kleidung an, die Kleidung, die sie getragen hatte, um zu ihm zu kommen, und ging zurück ins Planterâs Hotel. Manchmal bekam sie den Schlüssel nicht ins Schloss, ein schläfriger Hoteldiener musste ihr helfen. Sie schlief bis mittags und wachte vom Lärm eines Vogels auf, der sang.
Sie trank starken schwarzen Kaffee und aà beinahe nichts, nur goldgelben Toast mit süÃer Marmelade. Sie schlief kaum, nur die paar Stunden zwischen Morgengrauen und Mittag. Manchmal, am Nachmittag in der Bibliothek, fiel sie fast in Ohnmacht vor Hunger, während ihre Glacéhandschuhe neben dem Bücherstapel lagen.
Sie studierte das Züchten von Rosen. Sie konnte schon spüren, wie die Dornen ihr in die Haut stachen, konnte beinahe das Blut auf ihrem Handrücken riechen. Sie war nicht diejenige, als die sie sich Ralph Truitt gegenüber ausgab, aber sie war auch nicht diejenige, als die sie sich Antonio Moretti gegenüber ausgab, und sie hörte nie auf, sich zu fragen, welches denn nun ihr wahres und welches ihr falsches Selbst war.
Sie traf viele ihrer alten Freunde wieder. Hattie Reno, Annie McCrae und Margaret und Louise und Hope, Joe L â Amour, Teddy Klondike. Sie suchte überall und in jedem Zimmer nach ihrer Schwester Alice. Alice, die irgendwo in dieser riesigen Stadt wohnte, die sich in diesen Kreisen bewegte, wenn es ihr gut ging, Alice, die sie immer mit in den Zirkus und in die Oper genommen hatte. Aber Alice war unsichtbar, und niemand wusste, wo sie war.
Sie hatte für Alice Bücher gekauft, die sie niemals las. Sie hatte ihr Schmuck gekauft, den sie verlor oder verschenkte. Sie hatte versucht, mit allen Mitteln, wenigstens eine Sache zu retten, dafür zu sorgen, dass es ihrer Schwester gut ging, ihre Freundin zu sein, und selbst dabei hatte sie versagt.
Catherine wollte Alice finden und mit nach Wisconsin nehmen, sie in die weiÃe Gaze der tiefsten Provinz einwickeln, bis sie geheilt und wieder ganz war. Sie wollte sie in Emilias Pracht kleiden und zusehen, wie sie über die lange Treppe in der Villa in die hohe Eingangshalle mit den Fresken hinunterschwebte. Sie wäre wie ein Kind in einem Meisterwerk, Catherines Meisterwerk. Sie glaubte immer noch, sie könnte sie retten.
»Vergiss sie«, sagte Hattie Reno. »Seit Monaten hat keiner sie mehr gesehen. Und das letzte Mal, als jemand sie gesehen hat, sah sie schrecklich aus. Niemand hat mit ihr gesprochen, und ihr war es völlig egal. Ich habe mich für sie geschämt.«
»Sie ist meine Schwester.«
»Und sie ist böse, verhärtet und krank. Sie ist die Art von Mädchen, die kein Dach über dem Kopf will. Völlig auÃer Rand und Band. Selbst die Männer mögen sie nicht mehr.«
»Sie hatte nie ein echtes Dach über dem Kopf.«
»Und du willst ihr eins geben. Bevor sie tot ist. Du und wer noch? Wer will denn für dieses Dach bezahlen?« Catherine erzählte nie von Ralph Truitt. Ihre Abwesenheit wurde nicht näher erklärt. Sie sei in Chicago gewesen, nahmen sie an. Sie glaubten, den Grund zu kennen. Frisches Blut. Neue Männer mit frischem Geld.
»Ja. Bevor sie tot ist.«
Sie wusste, dass Antonio sie auf eine Weise brauchte, für die es keine Worte gab, und sie nahm das als Zeichen seiner tiefen Zuneigung. Aber das war es nicht. Es war Bedürfnis und Gewohnheit, es war eine Sucht, aber keine Liebe, ganz gleich, wie oft er das auch behaupten mochte.
Manchmal, wenn sie am frühen Nachmittag noch im Nachthemd in ihrem stillen Hotelzimmer saà und der scharlachrote Vogel auf ihrem Finger hockte und nach den kleinen Brosamen eines Brötchens pickte, das sie ihm hinhielt, dann wusste sie dies mit einer Klarheit, die ihr wie ein Messer ins Herz
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