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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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hätten hingehen können.
    Alice war nirgendwo.
    Einige sagten, dass sie sich an ein Mädchen wie sie erinnerten, an ein Mädchen, das mit einem Bootsmann weggegangen sei. Manche sagten, sie erinnerten sich an ein Mädchen, das ins Krankenhaus gekommen wäre, das man um sich tretend und schreiend dorthin gebracht hätte, in die Klapsmühle, vielleicht auch in ein Krankenhaus, aus dem man gesünder wieder herauskam. Catherine suchte in allen Krankenhäusern und Anstalten nach ihr und fand sie nicht. Wenn man bis zu einem bestimmten Punkt herabgesunken ist, hat man keinen Namen mehr. Man hat keine Geschichte, keine besonderen Eigenschaften oder Freunde mehr, und Alice hatte die Chute erreicht, das Ende der Fahnenstange, das Ende der Hoffnung, das Ende dessen, was einen Menschen zu etwas Besonderem in dieser Welt macht, was es auch sein mag.
    Â»Wo ist sie, Tony?« Sie flehte ihn an. Er musste es doch wissen. Er hatte gesagt, er wisse es.
    Â»Die Dinge ändern sich. Die Leute sind immer in Bewegung. Hier unten sind sie immer in Bewegung, schlafen bei anderen im Bett, verprügeln ihre Kinder. Sie ist dort. Du musst nur weitersuchen. Tu dir ruhig weh, wenn du das willst.«
    Er stand nackt vor ihr, die sinkende Sonne leuchtete auf seinen Schulterblättern, während er sich wusch und seine feine Kleidung auf einem Sessel bereitlag. Er schmiss das Handtuch auf den Boden und drehte sich um, plötzlich voll wütendem Überdruss. »Was kümmert es dich denn? Menschen verlieren Dinge, Catherine. So etwas geschieht. Menschen verlieren unentwegt das, was sie lieben.«
    Â»Sie ist mir eben wichtig.«
    Â»Dir ist überhaupt nichts wichtig. Du willst nur etwas wiederhaben, was du verloren hast. Wie einen Schirm in einer Straßenbahn. Wie ein Medaillon auf der Straße. Das ist alles. Aber ich will dir mal was sagen: Sie ist nicht mehr das Ding, das du einst verloren hast. Sie ist eine alte Hexe, sie ist nichts . Sie hat kein Gesicht, keinen Namen, kein Obdach. Und dieser jämmerliche Versuch, deine Schwester zu finden, wird gar nichts ändern. Du wirst dennoch meinen Vater töten, du wirst dennoch mit mir und all dem Geld in diesem Palast wohnen.«
    Seine schönen Sachen. Sein schönes Haar, seine Hände, die eine silberne Haarbürste hielten, sein hübsches Gesicht in dem Silberspiegel mit dem Sprung. Die Art, wie er sich gleichzeitig um sie sorgte und es überhaupt nicht tat.
    Â»Deine Grausamkeit ist erstaunlich. Alice …«
    Â»War süß, niedlich, jung und nicht sehr helle, aber sie konnte auf dem Schoß sitzen, bloß auf dem Schoß sitzen, und einen bloß dadurch dazu bringen, dass man kam. Sogar dann hatte sie keinen Funken von Seele. Und sie stirbt, weil sie nicht so gerissen, vorsichtig und schlau ist wie ihre große Schwester, und sie will es so. Du ekelst sie an. Dein Name bringt sie in Rage. Du glaubst, sie ist nicht dort? Du hast deinen Namen bei jedem Säufer am Ort hinterlassen, und trotzdem ist sie nicht da. Weil das der Ort ist, an den man geht, wenn man nicht gefunden werden will. Niemals. Es gibt nur einen Weg hinein und einen Weg wieder hinaus, also lass sie in Frieden. Geh einfach weg. Fahr zurück nach Wisconsin. Vergiss Alice. Tu, was du versprochen hast. Dafür bist du geboren worden.«
    Aber sie konnte Alice nicht vergessen, und am Ende fand sie sie doch. Sie stand in ihrem neuen Pelzmantel an eine Wand gelehnt da und heulte wie der Wind. Ein ernstes kleines Mädchen nahm sie bei der Hand und führte sie zum Ende der Straße.
    Alice war gerade dabei, um Mitternacht unter einer Straßenlampe im Schnee einem betrunkenen Seemann einen zu blasen, während Leute vorbeigingen und Pennys und Nickel auf die Pflastersteine warfen. Als sie fertig war, spuckte sie auf die Straße, auf die Schuhe des Seemanns, und sie stolperte weiter, ohne ihm auch nur die Hose zuzumachen. Alice sah auf und erblickte Catherine, beugte sich dann ruhig vor und begann, im Dunkeln das Kleingeld aufzusammeln.
    Â»Ich will dich hier nicht.«
    Â»Ich bin gekommen, um dich mitzunehmen … dahin, wo es schön ist.«
    Â»Ich will nichts davon hören. Ich will nichts davon wissen.«
    Â»Ich habe Geld. Ich habe Geld für dich.« Sie griff in ihre Handtasche.
    Â»Ich will es nicht. Was sollte ich damit anfangen?«
    Â»Ich bin wegen dir hierhergekommen. Lass uns in deine … dorthin, wo du wohnst, gehen,

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