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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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Schwester. »Ich erinnere mich an die Boote. Auf dem Fluss in Philadelphia. Die schönen Männer beim Rudern und die Sonne auf ihren kräftigen, braunen Schultern. Sie waren so schnell, eben noch hier und dann schon wieder weg. Du glaubst, ich hätte das vergessen, und ich hab’s versucht, aber ich erinnere mich. Die schönen Kleider, die du genäht hast, sie müssen schön gewesen sein, alles, was du gemacht hast, war schön. Und die kleinen Schuhe, die Knopfstiefel. Wo sind sie jetzt? Was ist aus diesen Dingen geworden? Du warst gut zu mir. So gut und lieb.«
    Â»Ich war nicht gut oder lieb. Was waren wir nur für ein Paar.«
    Â»Wenn ich meine Augen schließe, wenn mein Kopf einigermaßen klar ist, dann denke ich, dass du dein Bestes getan hast, und ich habe dich gehasst und war abscheulich. Du warst das letzte Schöne, und ich werde dich vielleicht nicht wiedersehen, und deshalb sage ich ›Danke‹. Ich habe niemals zu irgendjemandem ›Danke‹ gesagt, egal für was, aber jetzt sage ich es zu dir.«
    Â»Bitte.«
    Â»Als wäre es je genug. Du solltest jetzt gehen. Es ist spät. Es kann ziemlich rau werden. Geh zurück in dein schönes Hotel und zu deinem reichen Mann. Du hast versucht, mich zu retten, und es hat nicht geklappt. Es war nicht dein Fehler.«
    Sie saßen da, bis die Zigarette aufgeraucht und Alice eingeschlafen war, die Hand um ihre Münzen gekrallt. Sobald das Licht verschwunden war, liefen Ratten um sie herum, die Kälte drang herein, der Schnee begann, stärker zu fallen, und Catherine sah auf die schmale Silhouette des Gesichts ihrer Schwester, und sie dachte, es würde ihr das Herz brechen.
    Dann sah sie es. Sie sah etwas, das sich herabsenkte, sie konnte es nur einen Engel nennen, Gnade, die sichtbar geworden war, wie ein Dunst, wie ein Nebelschleier. Mit goldenen Flügeln und weißem Haar und weißer Haut kam der Engel herabgesegelt, wie aus einem Bilderbuch für Kinder, wie aus einem Geschichtenbuch aus der Bibliothek, diese Kreatur aus Licht und Luft, die vom Himmel herabschwebte, so still und dunstig wie Atemluft. Sie kannte diesen Engel, dieses erhörte Gebet war zu ihr und zu Alice gekommen, und die Bretter würden sich auftun, und der Engel würde ihre Schwester in die Arme nehmen und mit ihr um die Welt fliegen, nach London und Rom und zu den Gebirgen Südamerikas, um die ganze strahlende, gnadenreiche, blaue, sich drehende Mutter Erde, und Alice sanft in ein sauberes weißes Bett mit sauberen weißen Laken legen, wo sie ganz in Sicherheit war und wieder völlig gesund wurde. Der Engel kam näher. Sie konnte das leise Schlagen der Flügel hören, und kein anderes Geräusch als das, das Flügelschlagen. Sie konnte die reinen, weißen, durchsichtigen Füße des Engels sehen, konnte seinen warmen Atem an ihrer gefrorenen Wange spüren.
    Dann sah Catherine, wie der Engel, mit leeren Händen, wieder in den dunklen Nachthimmel aufstieg. Alice lag unerlöst da, so unbeweglich wie eine weggeworfene Puppe. Catherine wusste, dass es zu spät und dass alle Hoffnung vergebens war. Ihre Schwester konnte nicht gerettet werden.
    Und sie wusste, dass sie Ralph Truitt nicht töten könnte. Sie wusste, sie könnte keiner lebenden Seele etwas antun. Nicht mehr.
    Der Engel war fort, das Flattern war nur der eisige Wind, der vom dreckigen, zugefrorenen Fluss aufkam, sich erhob und durch Wild Cat Chute zog, wo Alice Land im Sterben lag.
    Der Schnee fiel jetzt immer dichter. Die Kälte kroch durch Catherines Haut, durch Mark und Bein. Sie fröstelte. Sie öffnete ihrer Schwester die Hand und stopfte alles Geld, das sie dabeihatte, hinein, Dollar für Dollar, zerknüllte Scheine, Hurengeld, dreckiges Geld, und sie schloss die Hand ihrer Schwester wieder darum. Sie küsste sie auf die Stirn, die vom Schweiß der Krankheit, der Ausschweifung und der Verzweiflung nass war. Sie wischte ihr eine Haarsträhne aus den Augen. Sie sah zu, wie der Schnee durch das offene Dach und auf ihren schönen, neuen schwarzen Pelzmantel über dem Körper ihrer schlafenden Schwester fiel, und sie wusste, dass das Geld und der Pelz schon fort wären, bevor ihre Schwester wieder erwachte.
    Das war das Leben, das sie zustande gebracht hatten, Alice und sie. Solche Dinge passierten einfach.

16. KAPITEL
    â€¢ • •
    A ls sie schließlich begriffen hatte, dass Alice für

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