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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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und jedes Blumenkelchs aus, und er lag mit geschlossenen Augen da und fragte sich, ob er lang genug leben würde, um all das zu sehen. In ihrer Beschreibung war es wunderschön. Es war der Garten, den Emilia nie geschaffen hatte, weil ihr dazu die Geduld oder die Kenntnisse gefehlt hatten.
    Sie hatte Larsen gebeten, den Schnee wegzuschaufeln und die Reste der Pflanzen freizulegen, um die man sich zwanzig Jahre lang nicht gekümmert hatte, und sie starrte ins kalte Mondlicht auf die verschlungenen nackten Weinreben und die umgestürzten Statuen, das leere Gewächshaus für die Zitronen und die Orangerie. Sie erzählte ihm von dem Leben, das sie mit ihren Händen in der Erde wieder sprießen lassen wollte. Sie erzählte ihm von ihren langen Tagen in der Bibliothek und von all dem, was sie dort gelernt hatte.
    Das Haus schützte sie vor den späten Schneefällen. Das Mondlicht schien durchs Fenster. Sie war so lebendig neben ihm, und er konnte nicht glauben, dass er so große Lust verspürte, während das Gift sich in seinem Körper ausbreitete und seine Trauer um Antonio immer stärker und immer schrecklicher wurde.
    Das Haus war zu viel und zu groß für Mrs. Larsen, und sie stellten zusätzlich zwei Mädchen aus dem Dorf und einen weiteren Mann ein, so dass alles immer sauber war und genügend Holz vorrätig, um am Abend in jedem Kamin ein Feuer in Gang halten zu können. So konnten sie sich nach dem Abendessen immer ein Zimmer ihrer Wahl aussuchen, um darin zu sitzen.
    Ende Februar wurde Ralphs Buchhalter plötzlich wahnsinnig und ermordete ohne erkennbaren Grund seine Frau, mit der er achtundzwanzig Jahre zusammengelebt hatte. Mr. und Mrs. Truitt gingen zur Beerdigung, standen ernst in ihrer schwarzen Kleidung da, während die erwachsenen Kinder um den Verlust ihrer Mutter weinten.
    Â»Warum tun sie diese Dinge? Diese schrecklichen Dinge?«, fragte Catherine, während sie in der Kutsche nach Hause fuhren.
    Â»Sie hassen ihr Leben. Sie beginnen, einander zu hassen. Sie verlieren den Verstand, wollen Dinge, die sie nicht haben können.«
    Ralph wohnte dem kurzen Prozess bei, sah zu, wie der Mann um den Verlust seiner Frau weinte und an seiner Kleidung herumzupfte. Die Kinder starrten hasserfüllt und ängstlich vor sich hin.
    Aber Ralph verstand das. Er wusste, dass Menschen eines Tages plötzlich aufwachten und ihren Verstand verloren hatten, ihren ganzen Sinn für Richtig und Falsch, ihr Vertrauen in die eigenen Beweggründe. So etwas geschah. Der Winter war zu lang. Die Luft war zu trübe. Die Ursache war unergründlich, die Wirkung unvorhersehbar. Der Buchhalter wurde in ein Irrenhaus gebracht, wo er jeden Tag um seine geliebte Frau trauerte und fragte, ob sie ihn besuchen käme.
    Ralph wollte glauben, dass Catherine ihm das Pulver verabreichte, um ihm Jugend und Kraft einzuflößen, so wie ein Pferdehändler einem Pferd Spritzen gab, um das Fell glänzender und die Augen feuriger erscheinen zu lassen und einen nichts ahnenden Käufer übers Ohr zu hauen. Er glaubte, dass sie das Gift aus Saint Louis, vielleicht aus Chinatown, mitgebracht hatte, dass sie es unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand gekauft und dass sie an den langen Tagen ohne ihn den Plan gefasst hatte, ihm das Gift in kleinen Dosen zu verabreichen, damit er wieder jung wäre. Jedenfalls für eine kurze Zeit. Eine kurze Zeit würde schon reichen. In Florenz hatte er manchmal solche Gifte benutzt, so dass er stundenlang ohne Pause Sex haben konnte, und einmal hatte er es auch als Heilmittel für eine Geschlechtskrankheit eingesetzt, die er sich eines Sommers zugezogen hatte. Danach ignorierte er es einfach. Er fühlte sich göttlich. Es gab Gründe. Es musste Gründe geben. Es war möglich.
    Ihre Glut stand der seinen in nichts nach. Es kümmerte ihn nicht länger, dass ihr Kenntnisreichtum der sexuellen Spielarten weit über das hinausging, was sie ihm von ihrem früheren Leben, ihrem bescheidenen Missionarsleben, erzählt hatte. Sie wirkte geradezu wollüstig auf ihn, zu allem bereit, wie die Frauen, die er in seiner Jugend geliebt hatte. Er liebte sie, er begehrte sie, und sie war immer da. Sie war in ihren unscheinbaren Sachen schüchtern und distanziert nach Saint Louis abgereist und als eine ganz andere Person zurückgekehrt, weicher, entspannter um den Mund herum, in schönen schlichten Kleidern, die von ziemlich

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