Eine verlaessliche Frau
nach ihm ausstreckte.
»Du hast sehr unruhig geschlafen. Ich habe gemerkt, wie du dich herumgewälzt hast.«
»Ich habe geträumt.«
»War ich auch da?«
»Nein.«
Es war ihm egal, dass ihr Haar verfilzt, ihr Atem schal war und ihr das Nachthemd zu den Knien hochgerutscht war. Es war ihm egal, wer sie war oder als was sie sich ausgegeben hatte. Es war ihm egal, was sie Grausames tat. Was sie ihm antat. Er streckte, aus seinem Traum erwachend, die Hand nach ihr aus und nahm sie in die Arme, er hatte mehr gewollt, als eine Frau ihm überhaupt geben konnte, und mehr bekommen, als er jemals erwartet hatte.
Er wusste, dass dieser Augenblick, dieses Gefühl des Wohlbehagens, diese wunderbaren Träume kruder Begierde und prompter Erfüllung etwas Flüchtiges waren. Die erotische Wirkung des Giftes würde bald vorbei sein, und der Schrecken würde einsetzen, wenn es das war, was sie wollte. Und diese Tatsache entsetzte ihn keineswegs so sehr, wie er angenommen hatte. Er würde sie nicht aufhalten. Er würde sich nicht retten. Er liebte sie. Er liebte sie, und sie wollte, dass er tot war, seinen Sohn hatte er für immer verloren, und so wäre auch das in Ordnung. Das war es, wohin sein Leben ihn geführt hatte. Dafür hatte er zwanzig Jahre in Einsamkeit gelebt, um jetzt zu sehen, was passieren und wie alles ausgehen würde.
»Mein Leben war schrecklich, bis du gekommen bist.«
»Du hast doch so viel.«
»Ich habe das, was noch übrig ist, nach all dem, was ich zerstört habe, meine Frau, mein Kind ⦠meine Kinder.«
»Das war alles nicht deine Schuld. Deine Frau war schrecklich zu dir.«
»Sie hat das getan, was man ihr beigebracht hat. Sie hat mich ins Elend gestürzt, weil ich blind war, weil ich ins Elend gestürzt werden wollte. Es war nicht ihre Schuld. Ich habe einfach nicht aufgepasst.«
»Du warst sehr groÃzügig.«
»Ich habe beinahe meinen Sohn umgebracht. Meinen eigenen Jungen.«
»Er â¦Â«
»Er war der einzige Sohn, den ich hatte. Er war Sohn genug. Und er war unschuldig. Wie Franny. Unschuldig, lieb und dumm.«
»Der Junge in Saint Louis ⦠Mr. Moretti.«
»Was?«
»Vielleicht ändert er seine Meinung. Vielleicht ist er dein Sohn. Ich glaube, dass er es ist.«
Ralph nahm ihre Hand in seine. Sie starrten sich auf dem schneeweiÃen Leinenlaken an.
»Dann ist er ein Lügner. Er wird nie seine Meinung ändern. Alles ist schiefgegangen. Es war alles umsonst.«
Er hatte so groÃe Anstrengungen unternommen. Er hatte Detektive, Fremde, angeheuert, um seinen Sohn zu finden. Er hatte in Chicago, Saint Louis, Philadelphia und San Francisco eine Anzeige in die Zeitungen gesetzt, viele Briefe erhalten und beantwortet und seine Wahl getroffen. Sein Sohn hatte sich als Phantom erwiesen.
Sein illegitimer Sohn, dessen war er sich bewusst. Seine neue Frau hatte sich als die Person herausgestellt, auf die er, seit dem Tag, an dem er Emilia verjagt hatte, immer gewartet hatte. Gift. Das Leben, das er führte, war das Leben, das er zustande gebracht hatte, nicht mehr und nicht weniger, und er wollte nicht mehr kämpfen und nicht mehr versuchen, den Lauf der Dinge zu ändern.
»Was wirst du heute tun?«
»Ich fühle mich so träge wie eine Katze. Ich werde lesen. Ich werde nähen. Ich werde Mrs. Larsen fragen, ob sie Hilfe braucht, und sie wird nein sagen. Ich werde auf dich warten.«
»Und macht dich das glücklich?«
»Es ist alles, was ich brauche. Es ist alles, was ich jemals gewollt habe.«
Wenn sie im Bad war, suchte er nach dem Gift. Er schaute in ihren Nähkorb. Er durchsuchte die Taschen ihrer Kleider. Er musterte die wenigen Utensilien auf ihrem Toilettentisch. Nie entdeckte er irgendetwas. Für ihn war es ein aufregendes Spiel, wie Ostereiersuchen, und es war ihm im Grunde egal, ob er das Gift fand oder nicht. Er hatte das Gefühl, dass es seine Pflicht war, danach zu suchen. Er würde sie nie zur Rede stellen, ganz gleich, was er finden würde. Wenn er erwachte, war er aufgeregt, und dann wollte er etwas finden, irgendetwas, das beweisen konnte, was er ohnehin schon wusste. Dennoch wäre es bedeutungslos. Sie sollte tun, was sie tun wollte. Er nahm an, dass sie alles haben wollte, das Haus, das Geld, einfach alles, und er hätte es ihr auch gegeben, alles, wenn sie ihn darum gebeten hätte. Er würde allein und
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