Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
ich wohl tatsächlich auf der Liste der Verdächtigen«, sagte Morgan.
Vince hob die Hände. »Keine Sorge. Ich bin kein Cop mehr. Das FBI hat mich in Rente geschickt.«
»Dann müssen Sie im Auftrag des Sheriffs kommen.«
»Nichts, was Sie hier sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.«
»Sie sind also nur zum Spaß hier?«
»Ich habe mich heute mit Ihrer Frau unterhalten.«
»Oh.«
Vince nahm unaufgefordert Platz. Einen Moment lang sahen sie sich schweigend an. Jeder von ihnen versuchte die Gedanken des anderen zu lesen, bevor er den ersten Zug machte.
»Hat sie Anzeige gegen mich erstattet?«
»Weswegen denn? Haben Sie etwas Ungesetzliches getan?«
»Sie war ziemlich wütend, als sie mich gestern Abend rausgeworfen hat.«
»Hört sich so an, als wären Sie selbst auch wütend gewesen.«
»Ich lasse mir nicht gerne völlig aus der Luft gegriffen Vorwürfe machen«, sagte Morgan. »Besonders nicht von meiner Frau. Ich nehme mein Ehegelübde nämlich ernst.«
»Welchen Teil davon genau?«, fragte Vince. »Wir beide wissen doch, dass Sie sie betrügen, Steve. Meinetwegen müssen Sie hier nicht den braven Ehemann spielen.«
Morgan seufzte. »Ich vermute, es bringt nichts, wenn ich Ihnen sage, dass meine Ehe Sie rein gar nichts angeht.«
»Nein, weil das inzwischen nämlich der Fall ist – nach dem, wie es Sara ging und was sie mir erzählt hat.«
Morgan kniff sein weniger lädiertes Auge zusammen. »Wie kommt es, dass Sara sich an Sie wendet?«
»Vielleicht haben Sie es ja nicht mitgekriegt, wo Sie so sehr mit anderen Frauen und weiß der Teufel was beschäftigt sind – aber Sara und Anne haben sich im Laufe des letzten Jahres angefreundet.«
»Warum redet sie dann nicht mit Anne?«
Vince lächelte. »Weil Anne nicht dafür sorgen kann, dass Sie ins Kittchen wandern.«
Morgan wirkte nicht besonders beeindruckt. »Was mich zu meiner ursprünglichen Frage zurückbringt: Hat Sara Anzeige gegen mich erstattet?«
»Nein.«
Vince musterte den Schreibtisch. Morgan versuchte nicht zu verbergen, dass er getrunken hatte. Links von seiner Schreibunterlage stand ein schweres Glas, das drei Finger hoch mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt war. Nach der Flasche zu urteilen, die auf einem Buch zum kalifornischen Scheidungsrecht stand, war es irischer Whiskey.
»Ich mag Ihre Frau«, sagte Vince. »Sie ist sehr nett. Sie ist klug und hat Talent. Dass sie schön ist, muss man nicht eigens erwähnen, oder? Und sie liebt Sie.«
»Kaum zu glauben, was?«
Vince schüttelte den Kopf. »Nein. Ich finde es absolut verständlich. Sie sehen gut aus – normalerweise wenigstens. Sie sind zielstrebig. Sie kümmern sich um die Bedürftigen in unserer Stadt. Sie leisten gute Arbeit. Sie hat erzählt, dass Sie es als Kind und Jugendlicher nicht leicht gehabt haben. Das ist bewundernswert. Warum sollte sie sich nicht in Sie verlieben?«
Morgan zuckte kaum wahrnehmbar mit den Schultern.
»Sie ist die Mutter Ihres Kindes«, fuhr Vince fort, »sie hat Ihnen eine hübsche Tochter geschenkt. Sie beide hatten alles, was man sich nur wünschen kann.«
Steve Morgan trank einen großen Schluck Whiskey und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Und dann habe ich das Ganze gegen die Wand gefahren, was?«
Vince zuckte mit den Schultern. »Das müssen Sie mir sagen. Sie haben sich schon vor langer Zeit innerlich von Ihrer Frau entfernt. Hatten Sie den Eindruck, Sara, die aus einer gutbürgerlichen Familie stammt, würde Sie nicht richtig verstehen? Oder dachten Sie, dass Sie dieses Leben gar nicht verdienten? Dass Sara viel zu gut für Sie ist? Da haben Sie lieber gleich die Flinte ins Korn geworfen, statt darauf zu warten, dass sie es selbst herausfindet. Sie wissen vielleicht nicht, dass die meisten Frauen nicht standesgemäß heiraten. Darüber gibt es Untersuchungen«, sagte Vince. »Ich weiß, wovon ich spreche. Zu meinem großen Glück. Jeden Morgen stehe ich auf und denke, heute wird dieser Traum wie eine Seifenblase zerplatzen. Aber dann denke ich mir, lass gut sein und weck bloß keine schlafenden Hunde. Dann beißen die nämlich.«
Ein gutes Zeichen, dachte Vince, dass Morgan ihn noch nicht aufgefordert hatte zu gehen. Das hieß einiges. Morgan hörte ihm zu. Ließ er sich das Gesagte durch den Kopf gehen oder saß er nur da und dachte angewidert, dass dieser Klugscheißer aus Chicago Unsinn von sich gab?
»Stellen Sie sich solche Fragen auch, Steve?«, fuhr er leise fort. »Sie sind
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