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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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Sie hatte ihm versprochen, ihr Bestes zu geben, doch Donny hegte trotzdem keine großen Hoffnungen. Brinkley Springs war übersät von ähnlichen Schildern, und viele davon stammten von Mallory Laus Maklerbüro. Da die Wirtschaft nach wie vor am Boden lag, gab es ein riesiges Angebot an Immobilien – nur eben keine Käufer. Über Nacht schossen immer neue Schilder aus dem Boden, ohne dass sich an diesem traurigen Zustand etwas änderte, von Neubauten ganz zu schweigen. Kurzum: Die Stadt war alt, krank und müde. Sie lag im Sterben. Nein, nicht im Sterben. Vielleicht wusste es die Stadt noch nicht, aber Brinkley Springs war längst tot.
    Genau wie Donnys Mutter.
    Donny hätte nach seinem zweiten Einsatz beim Militär bleiben können. Eine durchaus verlockende Vorstellung. Er hatte Auszeichnungen erhalten – unter anderem den Bronze Star für herausragende Leistungen im Kampfeinsatz – und sich auf der Karriereleiter der Army bereits relativ weit nach oben gearbeitet. Seine Vorgesetzten hielten ihn für einen Soldaten der Sorte, von der man gar nicht genug haben konnte, und machten keinen Hehl daraus, dass man bereit war, ihm beträchtliche Prämien und verschiedene Sonderleistungen anzubieten, wenn er sich dauerhaft verpflichtete. Er hatte vorgehabt, es zu tun. Nicht unbedingt, weil es seinem Wunsch entsprach, bei der Armee Karriere zu machen. Die Kampfhandlungen und die endlosen, eintönigen Stunden zwischen den Feuergefechten brauchte er nicht wirklich – die beim Militär so verbreitete Vollgas-und-Stillstand-Mentalität.
    Allerdings standen ihm keine anderen Möglichkeiten offen, die ihn reizten. Natürlich hätte er die Wehrdienstgesetze für sich ausnutzen und die Regierung für seine Collegeausbildung blechen lassen können, doch es gab kein Studienfach, das Donny sonderlich interessierte. Er wusste nicht, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Er wusste nur, dass er es nicht eingesperrt in Brinkley Springs verbringen wollte. Die Army bot ihm dafür eine Möglichkeit, gewissermaßen einen Fluchtweg. Leider hatte ihn Brinkley Springs letztlich zurückgeholt. Ein Zitat aus dem dritten Teil von Der Pate schoss ihm durch den Kopf.
    »Gerade als ich dachte, ich bin raus, ziehen sie mich wieder rein«, intonierte Donny und gab seine gelungenste Al-Pacino-Imitation zum Besten.
    Er hätte sich weiter verpflichten, die satte Prämie kassieren und vom Angebot einer lebenslangen Rente ab seinem 40. Geburtstag profitieren können. Nie wieder einen Fuß auf den Boden von Brinkley Springs setzen müssen, außer gelegentlich zu Feiertagen oder auf Heimaturlaub. Aber dann wurde seine Mutter krank.
    Der Krebs war langsam, aber tödlich gewesen, hatte ihren Körper, eine Zelle nach der anderen, mit unfehlbarer Präzision zerstört. Die Ärzte in Beckley hatten ihn eher durch Zufall entdeckt. Seine Mutter war zu einer Routineuntersuchung dort gewesen, als Donny gerade seine zweite Dienstzeit im Irak absolvierte. Dabei war man auf einen Knoten in ihrem Unterleib gestoßen, hatte ihr jedoch versichert, es handle sich lediglich um ein Lipom, ein gutartiges Geschwulst, das aus überschüssigem Fettgewebe bestand. Und sie hatten recht behalten. Der Knoten, den sie entfernt hatten, war gutartig gewesen … doch die Tumore, die sie während der Operation in den unteren Gewerbeschichten fanden, entpuppten sich als bösartig. Genau wie jene, die sich danach entwickelten.
    Sein Vater war gestorben, als Donny zehn Jahre alt war. Eines Abends, nach einem langen Tag beim Holzfällen am Bald Knob, war er spät von der Arbeit nach Hause gefahren und zwischen Punkin Center und Renick mit seinem Truck einen Berghang hinuntergerollt. Nach einem mehr als 20 Meter tiefen Sturz war weder von ihm noch vom Auto viel übrig geblieben. Die Ermittler fanden nie heraus, was den Unfall verursacht hatte. Vielleicht war ein Reh vor ihm auf die Straße gelaufen. Vielleicht war er am Steuer eingenickt. Vielleicht hatte ihn ein anderes Fahrzeug von der schmalen Fahrbahn abgedrängt. Oder es war schlicht Pech von der besonders brutalen Art gewesen, das seinem Leben ein jähes Ende bereitete. Wie auch immer: Sein Vater war in jener Nacht nicht nach Hause zurückgekehrt.
    Seine Mutter hatte nie wieder geheiratet. Soweit Donny wusste, war sie sogar nie wieder mit einem Mann ausgegangen. Er besaß keine Geschwister – als seine Mutter krank wurde, sah er sich deshalb gezwungen, nach Brinkley Springs zurückzukehren und sich um sie zu kümmern. Er quartierte

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