Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
wenn er sich wortlos aus dem Staub machte. Sie war eine starke Frau. Es würde sie nicht noch einmal so schwer treffen wie beim letzten Mal. Sie war älter geworden, außerdem hatte sie Randy und ihre …
Nein, ihre Eltern gab es nicht mehr. Nach dieser Nacht blieben nur noch ihr kleiner Bruder … und er.
Etwas krümmte sich in Donnys Eingeweiden. Er verspürte einen heißen Anflug von Zorn und Verärgerung darüber, dass sich seine Entscheidung, wegzuziehen, noch komplizierter gestaltete. Wie konnte er sie nach allem, was geschehen war, zurücklassen? Er hasste sich dafür, dass er so empfand, und hätte es nie offen zugegeben, trotzdem steckten diese Emotionen in ihm. Was stimmte nicht mit ihm? Hatten ihm die vergangenen Jahre so schlimm zugesetzt? War er ein beschissener Egozentriker geworden, der nach der Ermordung der Eltern seiner Freundin ernsthaft darüber nachdachte, wie ungelegen ihm das kam?
Er verspürte den Drang, zurückzulaufen, Marsha in die Arme zu nehmen und sich bei ihr zu entschuldigen. Was tat er überhaupt hier draußen?
»Das wollte ich Sie auch gerade fragen.«
Donny japste, schrie aber nicht. Dafür war er zu erschrocken. Jäh wirbelte er herum, nahm die Hände schützend vor den Bauch und trat mit dem Fuß aus. Der Tritt sauste an Levi vorbei und brachte den Mann nicht im geringsten aus der Fassung.
»Gottverdammte Scheiße noch mal! Sie haben mir einen höllischen Schrecken eingejagt, Mann! Wissen Sie denn nicht, dass man sich nicht einfach so an jemanden anschleicht?«
»Hüten Sie Ihre Zunge. Ich habe nichts gegen Fluchen, aber ich billige es nicht, wenn der Name des Herrn missbraucht wird.«
»Tut mir leid. Sie haben mich nur wahnsinnig erschreckt.« Donny richtete sich wieder zu voller Größe auf. »Also … können Sie auch Gedanken lesen? Wie haben Sie das gemacht?«
»Ich habe Mittel und Wege.«
»Tja, Sie dürfen sich nicht derart an mich anschleichen. Ich meine, verdammt … ich hätte Sie umbringen können, Levi.«
»Nein, hätten Sie nicht.«
»Sie sind ein eingebildeter Mistkerl, Levi.«
»Ich bin nicht eingebildet. Ich bin selbstsicher. Hochmut ist eine Sünde, vorbereitet zu sein ist keine. Was haben Sie hier draußen zu suchen? Ich sagte doch, Sie sollen im Haus bleiben.«
Donny grinste. »Und ich sagte, dass ich keine Befehle mehr entgegennehme.«
Levi trat näher, bis sich seine Stirn nur noch Zentimeter von Donnys Kinn entfernt befand. Als er in die Augen des jüngeren Mannes starrte, erkannte Donny die Verärgerung in dessen Miene – und noch etwas anderes. Angst. Donny begriff, dass Levi sich fürchtete, was Donnys eigenes Unbehagen verstärkte.
»Halten Sie das für ein Spiel? Das hier ist kein Comic oder Fantasyfilm, bei dem wir die Bösen ohne Konsequenzen in einer Schlacht besiegen. Ich meinte ernst, was ich sagte, Donny. Hier draußen kann ich Sie nicht beschützen. Sie müssen zurück hinein. Um meinetwillen ebenso wie um Ihretwillen.«
»Ich kann mich meiner Haut erwehren, Levi, das können Sie mir ruhig glauben.«
»Ich weiß, dass Sie das können. Ich zweifle nicht an Ihren Fähigkeiten, und ich bin sicher, in einer brenzligen Lage wäre es toll, Sie an der Seite zu haben. Aber davon rede ich nicht.«
»Wovon reden Sie dann? Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, um Ihretwillen ebenso wie um meinetwillen?«
Levis Tonfall wurde sanfter. »An … an meinen Händen klebt bereits genug Blut. Mir folgen schon genug Gespenster im Leben. Weitere kann ich nicht brauchen.«
»Ich auch nicht, Levi. Denken Sie, ich wüsste nicht, was Schuldgefühle sind? Denken Sie, ich wüsste nicht, wie es sich anfühlt, jemanden zu töten – ich meine, wie es sich wirklich anfühlt? Dieses krampfartige Ziehen im Bauch, das einen tagein, tagaus verfolgt. Oder wie einem zumute ist, wenn man einen guten Freund verliert – dabei zusehen zu müssen, wie er unter den eigenen Augen wegstirbt, während man selbst weiterlebt? Ich weiß besser, wie sich so etwas anfühlt, als Sie glauben.«
Levi starrte ihn einen Moment lang an. Seine Miene veränderte sich, und kurz dachte Donny, der ältere Mann würde zu weinen anfangen. Dann jedoch bekam er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle.
»Na schön«, sagte Levi. »Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich Ihre Beweggründe begreife, vor allem, weil da drin eine anständige Frau auf Sie wartet, die Sie liebt. Aber um ganz ehrlich zu sein, weiß ich Ihre Gesellschaft zu schätzen. Es kommt nicht oft vor, dass mich auf
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