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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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bekreuzigte sich Levi viermal gen Norden, Süden, Osten und Westen.
    »Führe meine Hand. Möge dein Wille wie immer geschehen.«
    Er holte tief Luft und trat von der Veranda.
    Levi fühlte sich nackt und ungeschützt. Das Gebet war das Letzte, was er an Powwow einsetzen konnte. Von nun an musste er sich im Kampf gegen seine Feinde auf Methoden und Segnungen verlassen, die weitaus älter und weniger heilig als das Gebet waren, das er gerade eingesetzt hatte.
    Marsha öffnete langsam die Faust und ließ Donnys Arm los. Er zuckte zusammen. Sie schaute auf und sog scharf die Luft ein. Bis zu diesem Moment hatte sie es nicht bemerkt, aber ihre Fingernägel hatten sich tief in seine Haut gebohrt und zornig-rote Male hinterlassen.
    »Tut mir leid.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Schon gut.«
    Eine Weile starrten sich die Anwesenden wortlos an. Dann schlich Myrtle auf Zehenspitzen zum Fenster hinüber und spähte vorsichtig hinaus.
    »Ist er weg?«, fragte Esther.
    »Ich glaube schon«, flüsterte Myrtle. »Jedenfalls sehe ich ihn nicht.«
    »Tja, dann sind wir ihn gottlob los.«
    Myrtle ließ die Jalousien zufallen und wirbelte herum.
    »Esther! Das war völlig unnötig. Er ist dein Pensionsgast.«
    »Und bei Sonnenaufgang kann er ausziehen. Eine weitere Nacht will ich ihn nicht unter meinem Dach haben.«
    »Oh, um Himmels willen!« Marsha kochte vor Zorn. »Er kämpft für Sie. Für uns alle. Wie können Sie so etwas über ihn sagen?«
    »Weil er das nicht für uns tut. Du musst erst mal so alt werden wie ich, Marsha, dann wirst du es verstehen. Ich weiß, wie die Leute sind. Ich durchschaue sie. Dieser Mann mag denken, dass er für uns kämpft, aber wenn man ihn sich genau ansieht, erkennt man, dass er für sich selbst kämpft – und wie er es tut, ist schlicht und ergreifend unchristlich. So etwas will ich hier nicht haben. Lieber tot sein, als mit dem Teufel unter einer Decke stecken. Ich weiß, dass du heute Nacht viel durchgemacht hast, aber glaub mir: Levi würde jeden Einzelnen von uns opfern, wenn er dadurch den Feind bezwingen könnte. Ich sehe es ihm an.«
    »Hör dir doch mal selbst zu«, forderte Myrtle sie auf. »Ist dir überhaupt klar, was du da von dir gibst? Das ist weit von dem entfernt, was du vorhin über ihn gesagt hast.«
    »Vorhin wusste ich auch noch nicht über ihn Bescheid. Er ist nicht, was er zu sein vorgibt.«
    Myrtle schüttelte den Kopf. »Aber er hat gebetet, bevor er gegangen ist. Ich habe ihn ein Gebet zu Gott flüstern gehört – zu demselben Gott, an den auch du glaubst.«
    »Nicht zu meinem Gott.«
    »Pfeif auf diese Scheiße.« Donny setzte sich in Richtung Diele in Bewegung. »Ich muss mir diesen Quatsch nicht anhören.«
    »Was hast du vor?« Marsha packte ihn erneut, ohne darauf zu achten, ob sie ihn verletzte oder nicht, doch Donny schüttelte sie unwirsch ab. Als er antwortete, sah er sie nicht an.
    »Ich gehe ihm nach. Jemand muss ihm den Rücken freihalten.«
    Marsha hob die Hände ans Gesicht und starrte ihn an, als ihr eine Erkenntnis durch den Kopf schoss.
    »Er hatte recht, nicht wahr? Levi hatte recht. Du hast Angst davor, hier bei mir zu bleiben.«
    Wortlos verschwand Donny in der Diele. Sekunden später hörten sie, wie sich die Eingangstür öffnete und direkt wieder schloss.
    »Es spielt keine Rolle«, meinte Randy in bedrücktem Tonfall. »Es wird ohnehin niemand von uns entkommen. Niemand kann aus dieser Stadt fliehen. Schon vorher nicht, und jetzt ist es erst recht unmöglich.«
    Nachdem Donnys schweigender Abgang ihre Frage beantwortet hatte, brach Marsha auf der Couch zusammen und schlang einen Arm um Randy. Die beiden trösteten einander so gut wie möglich, während sie abwarteten, wer zurückkehren würde – Levi, Donny … oder die Krähen.

Neun
    Die Dunkelheit nahm zu, das Mondlicht verblasste. Dichte, träge Wolken krochen über den Himmel und verdeckten die schwach leuchtenden Sterne. Die Schüsse und Schreie waren verstummt. Auch die durch Gärten, über brachliegende Felder oder entlang der Straßen flüchtenden Menschen ließen sich nicht mehr blicken. In ganz Brinkley Springs kauerte die schwindende Zahl der Überlebenden in ihren Häusern und Kellern, Werkzeugschuppen und Rübenspeichern, Geschäften und Scheunen, Autos und Lastern, betete um Hilfe und wartete auf das Unvermeidliche.
    Und das Unvermeidliche fand sie, einen nach dem anderen. Die Schatten trafen ein … und mit ihnen ein unvorstellbarer Hunger.
    Stu Roseman wurde brüllend und

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