Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
ging Donny in die Küche. Auf dem Tisch fand er einen Salzstreuer, den er in die Tasche steckte. Dann öffnete er die Speisekammertür und entdeckte im obersten Regalfach eine große Vorratsbüchse. Als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, fehlte von Levi jede Spur.
»Levi?«
»Ich bin oben«, rief Levi. Seine Stimme klang leise. »Bin gleich wieder bei Ihnen.«
Donny wartete. Er stellte die Salzbüchse auf dem Tisch ab und begann, Zeitschriften durchzublättern, die sich in einer Ecke des Raums vor der Wand stapelten. Die Namen der Magazine hatte er vorher noch nie gehört – Fate, Fortean Times, Angels, Coming Changes, Conscious Creation, Lightworker Monthly … Er hörte Levis Schritte über sich, gefolgt vom Geräusch einer Schublade, die geöffnet wurde. Er ergriff eine Ausgabe der Fortean Times und blätterte sie durch. Ein längerer Artikel handelte von Meerjungfrauen und enthielt einen Bericht über eine angebliche Sichtung an der Küste vor Haifa im vergangenen Jahr.
Die meisten anderen Beiträge schienen aus Publikationen in aller Welt zusammengetragen oder übernommen worden zu sein. Alle behandelten eigenartige oder paranormale Phänomene – Geister auf Londons Highgate-Friedhof, ein Mann, der in Peking 17 Stockwerke in die Tiefe gestürzt war und überlebt hatte, Sichtungen aller möglichen Kreaturen, vom Bigfoot bis hin zu Panthern in Manhattan, ein Fischregen in einem kleinen französischen Dorf, ein Vietnamese, dem Hörner aus dem Kopf gewachsen waren und weitere Absonderlichkeiten. Jede Geschichte klang noch seltsamer als die vorherige, und alle entsprachen angeblich der Wahrheit. Wenngleich Donny noch nie von der Zeitschrift gehört hatte, kannte er einige der angegebenen Quellen – Associated Press , die Londoner Times oder die Washington Post.
Plötzlich verspürte Donny ein Schwindelgefühl. Der Raum begann, sich vor ihm zu drehen. Der Puls pochte in seinen Ohren. Er holte tief Luft und stützte sich ab. Alles war so bizarr. Die meiste Zeit fühlte er sich wie ein junger Greis. Er hatte Dinge gesehen und getan, die viele seiner ehemaligen Freunde in Brinkley Springs niemals verstehen würden. Obwohl er so viel von der Welt gesehen hatte, sah er sich mit der Erkenntnis konfrontiert, dass er im Grunde nichts wusste und nichts gesehen hatte. In den Schatten der Realität existierte eine gänzlich andere Welt – eine Welt, die Menschen wie Levi und Kreaturen wie jene da draußen bevölkerten. Das Überfliegen der Artikel in der Zeitschrift machte ihm das noch bewusster.
»Großer Gott«, flüsterte er atemlos. »Großer Gott im Himmel …«
Er hörte Schritte auf der Treppe. Donny sammelte sich. Sekunden später tauchte Levi mit einem Bündel auf, das wie Heu aussah. Er schwenkte es, als er sich näherte.
»Gefunden. Ich wusste doch, dass sie welchen im Haus hat. Sogar Laien wissen um die Eigenschaften von Salbei. Jetzt sind wir gerüstet.« Sein Blick heftete sich auf das Magazin, das Donny in den Händen hielt. »Oh, die Fortean Times . Eine meiner Lieblingszeitschriften.«
»Wirklich?«
»Oh ja. Ich lese sie jeden Monat.«
»Hätte ich mir denken können.«
Levi tat so, als wäre er gekränkt. »He, ich lese auch sonst alles Mögliche, von National Geographic bis hin zum Soldier of Fortune .«
»Was ist mit Penthouse? «
»Natürlich nur die Artikel.« Grinsend deutete Levi auf die Zeitschrift in Donnys Hand. »Das ist eine ziemlich alte Ausgabe. Wenn ich mich recht erinnere, befindet sich darin ein interessanter Artikel über namibische Blutsauger. Regt stark zum Nachdenken an, zumal die klassischen Chupacabra -Legenden ihren Ursprung in Südamerika haben.«
»Damit kenne ich mich nicht aus.« Donnys Mund fühlte sich an, als wäre er mit Baumwolle ausgestopft worden. »Über Blutsauger habe ich nichts gelesen. Dafür bin ich auf einen umfassenden Bericht über Meerjungfrauen gestoßen.«
»Ah, Meerjungfrauen.« Levi nickte. »Leviathans Mägde. Wunderschön und bitterböse. Außerdem sind sie vampirisch, wenngleich auf eine Art und Weise, die Sie wahrscheinlich nicht nachvollziehen könnten. Grässliche Kreaturen, keine Frage, aber nicht annähernd so schlimm wie die, mit denen wir heute Nacht konfrontiert sind.«
»Sind … sind die Krähen ebenfalls Vampire?«
Levi runzelte die Stirn. »Nein, ich glaube nicht. Sie haben keine Anzeichen dafür offenbart. Vielleicht etwas Ähnliches wie Vampire, zumal sie sich von den Seelen von Lebewesen zu ernähren scheinen, aber ich bin mir
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