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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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Strandsegler nahmen einfach zu viel Raum weg, das dachte sie. Das Problem lag in dem beengten Raum, nicht in der Bewegung. Der Grand Canyon war offener Raum. »Die Leute ziehen nicht einfach weiter, nur um weiterzuziehen. Es ist doch nicht so, als hätte ich unbedingt irgendwohin fahren wollen, und irgendwer hätte sich dann einen Grand Canyon für mich ausgedacht. Das ist bescheuert.«
    »Die Zivilisation«, sagte Howard dumpf, ohne auf sie zu achten, »hier hoch kommen, hier oben arbeiten, hier oben leben – Tausende Menschen. Das ist wie ein Flughafen, kein wirklicher Ort. Falls wir den Scheiß-Grand Canyon je zu sehen kriegen, falls er nicht bloß ein Mythos ist, dann wird es sein wie auf einem Flughafen. Ihn zu sehen wird sein, als sähe man sich eine Startbahn an, wo die Flugzeuge aufgereiht stehen. Deshalb bleibe ich lieber zu Hause, als mich hier zusammenpferchen und dort zusammenpferchen zu lassen.« Howard schniefte mit seinen großen Nasenlöchern.
    Er verdarb ihr allmählich wirklich alles, genau wie sie es befürchtet hatte, dabei war sie doch fest entschlossen gewesen, das nicht zuzulassen. Sie sah ihn an und merkte, wie sie geradezu das Gesicht verzog. Sie musste von diesem Mann weg. Sie hätte ihn am liebsten auf die Straße geschubst, mit dem Fuß getreten. Aber das wäre hysterisch gewesen und hätte ihn zu Tode erschreckt. Sie musste einfach versuchen, ihn noch eine Weile zu ignorieren, bis sie aus dem Auto ausgestiegen waren. Vor ihrem geistigen Auge beschwor sie das unangenehme Bild herauf, wie Howard auf sie einrammelte in dem schmierigen, grässlichen kleinen Tipi mit all den Kakerlaken am Boden und ohne Fernseher. Was war das bloß gewesen? All die Gedanken, die sie gewälzt hatte. Was machte ihr Gehirn eigentlich? Wie verzweifelt war sie denn?
    »Da ist dieser Indianer aus dem Motel.« Howard zeigte auf einen jungen Mann mit langem schwarzem Pferdeschwanz, der Jeans und ein grünes T-Shirt anhatte. Er ging über den sonnenbeschienenen Parkplatz, wo ein Nationalparkwächter mit spitzem Hut, der neben einer kleinen Hütte stand, den Verkehr einwies. Der Indianer war bei den Touristen, die zu Fuß vom Parkplatz zu einem höher gelegenen asphaltierten Pfad gingen, zum Canyonrand, wie Frances annahm. Es würde gut werden, dachte sie. Zu spät, es jetzt noch zu verderben. »Vielleicht ist er ja einer von den uralten Geistern.« Howard grinste schief. »Vielleicht ist er unser spiritueller Führer zum Grand Canyon.«
    »Halt den Mund«, sagte Frances und parkte schwungvoll zwischen anderen Autos und Wohnmobilen. Familien verließen ihre Fahrzeuge und strebten eilig in die Richtung, wo der Indianer verschwunden war. Einige rannten, als könnten sie keine Minute länger warten. So ging es ihr auch. »Vielleicht kannst du uns ein Sandwich besorgen. Ich hole dich dann.« Sie schlang sich den Fotoapparat um den Hals, bereit zum Aussteigen.
    »Wohl kaum.« Howard schubste die Tür mit seinem Turnschuh auf und fing an, seine langen Beine auseinander zu falten. »Das will ich auf keinen Fall verpassen. Schließlich hat man ja noch nie auf einer Baustelle gestanden und ins Loch geguckt. So wird das gleich auch sein. Echt umwerfend.«
    Sie betrachtete ihn kalt. Eine eisige, kiefernfrische Brise wehte durch die offenen Autotüren. Viele andere Menschen waren gekommen, um die großartige Aussicht zu bestaunen, die spirituelle Größe und die Pracht der Natur. Mit diesen Menschen würde sie das Erlebnis des Grand Canyon teilen. Nicht mit diesem Versager. Wenn alles vorüber war, konnte er ruhig beschließen, es sei seine Idee gewesen. In einer Stunde war er abgemeldet, und sie konnte die Rückfahrt nach Phoenix allein genießen. Das würde alles nicht lange dauern.
    Vom Parkplatz aus konnte Howard bergab zwischen den Kiefern, abgesetzt von den Touristenströmen, einige Gebäude erkennen, die wie Kasernen aussahen, beige gestrichen, um sich in die Landschaft einzupassen, und mit langen, fliegengitterbestückten Fenstern. Das waren Schlafsäle. Als würde man in ein Basketball-Ferienlager in den Catskill Mountains fahren. Ein Junge und ein Mädchen – Teenager – schleppten kichernd eine Matratze von einem Kasernenbau zum nächsten. Wahrscheinlich gewöhnte man sich dran, überlegte er. Wahrscheinlich vergingen die Tage, und man sah den Grand Canyon nicht mehr oder dachte auch nur daran. Es war absolut dasselbe, wie in einem Flughafen zu arbeiten.
    Frances hetzte den Pfad hoch, ohne auf ihn zu achten. Hier oben

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