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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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den Weg, wo er zwischen den dunklen Bäumen ansteigt. Da ist ein Licht, gefolgt von einem weiteren Licht, wie Sterne, die vom Himmel hoch herkommen. Stimmen, Worte, eine Sprache, die sie nicht recht versteht. Japanisch. Sie schaut Roger nicht an, sondern schiebt einfach einen Ski, ihren linken, nach vorn auf seine Spur, lässt den rechten folgen und seinen Weg finden, stößt sich mit ihren Stöcken ab. Und in genau dieser kleinen Zuteilung an Zeit, dank genau dieser Anstrengung, ist sie auf und davon. Sie glaubt, dass Roger irgendetwas sagt, noch ein »Hnh«, eine Art Grunzgeräusch, aber sie ist nicht sicher.
    In der Wohnung schlafen alle. Die Lämpchen an dem Plastik-Gummibaum blinken. Sie spiegeln sich in dem Fenster, das auf den mittlerweile dunklen Skihügel hinausgeht. Irgendjemand, fällt Faith auf, hat viel Zeit damit verbracht (ihre Mutter), die durchgebrannten Birnen zu ersetzen, so dass der Baum ohne Ausfälle blinken kann. Der goldene Stern, derjenige, der die Weisen aus dem Morgenland gelenkt hat, liegt auf dem Kaffeetisch wie ein Seestern und wartet darauf, angemessen angebracht zu werden.
    Marjorie, die jüngere, süßere Schwester, schläft auf der orangefarbenen Couch, unter dem Bruegel. Sie hat ihr Bett verlassen, um in der Nähe des Baums zu schlafen, und hat ihr gestepptes Deckchen in Pink mitgebracht.
    Natürlich hat Faith Roger ausgesperrt. Roger kann allein im Schnee erfrieren. Oder er kann auf einer Türschwelle oder neben einem Dampfrohr irgendwo im Snow-Mountain-Highlands-Komplex schlafen und den Sicherheitsbeamten seine Situation erklären. Roger wird heute Nacht nicht bei seinen hübschen Töchtern schlafen. Sie wird jetzt mal eingreifen. Diese Mädchen gehören ihr.
    Obwohl, wie naiv von ihr, nicht bedacht zu haben, dass Roger ihr Angebot, die Mädchen zu nehmen, natürlich auf der Stelle ummünzen würde zu einer Einladung, mit ihr zu vögeln. Sie ist zu lange in Kalifornien gewesen, hat die Berührung zum typisch Durchschnittsamerikanischen verloren. Wie komisch, dass Roger auch »besch-eiden« sagt. Wahrscheinlich sagt er auch »X-mas«.
    Auf der Eisbahn spielen zwei Mannschaften Hockey unter hohen weißen Lampen. Eine rote Mannschaft gegen eine schwarze Mannschaft. Netztore sind aufgebaut worden, die zu große Fläche abgeteilt worden auf Regelgröße und -form. Ein paar Zuschauer stehen dabei – Ehefrauen und Freundinnen. Boyne City gegen Petosky; Cadillac gegen Sheboygan oder so was. Die weißen Schlittschuhe der kleinen Mädchen liegen auf einem Haufen, an der Tür, die sie jetzt fest verriegelt hat.
    Es wäre gut, den Stern draufzustecken, denkt sie. »Jetzt ist es Zeit für den Stern.« Wer weiß, was das Morgen bringt. Die Ankunft von ein paar Weisen kann nicht schaden.
    Also steht Faith mit dem schmächtigen Stern, der aus dicker Alufolie gemacht ist, groß und vergoldet und schwerelos und fünfzackig, auf dem dänischen Esstischstuhl und steckt den Befestigungsschlitz auf das oberste Blatt des Gummibaums. Das sitzt alles andere als perfekt, da es oben im Wipfel keinen Ast gibt, und der Stern steht auch nicht aufrecht, sondern hängt schief von der Spitze herunter, etwas traurig, komisch, aber auch siegreich. (Diese Art von Befestigung wurde auf den Philippinen bei der Herstellung des Baums nicht vorgesehen.) Morgen können die anderen alle etwas hinzufügen, Ornamente erfinden, aus absurden oder inspirierenden Ausgangsmaterialien. Morgen wird selbst Roger rehabilitiert und mit allen gut Freund sein. Außer mit ihr.
    Marjorie hat die Augen aufgeschlagen, rührt sich allerdings nicht auf der Couch. Einen Moment, aber nur einen kurzen Moment lang wirkt sie tot. »Ich bin eingeschlafen«, sagt sie leise und blinzelt mit ihren braunen Augen.
    »Oh, ich hab dich gesehen«, lächelt Faith. »Ich dachte, du wärst noch ein Weihnachtsgeschenk. Ich dachte, der Weihnachtsmann wäre schon früh hier gewesen und hätte dich gebracht, für mich.« Sie lässt sich vorsichtig auf dem staksigen Kaffeetisch nieder, nahe bei Marjorie – falls sie eine Sorge mitzuteilen hat, einen finsteren Traum zu erzählen. Eine Angst. Sie streicht mit einer Hand Marjories warme Haare glatt.
    Marjorie holt tief Luft und lässt sie langsam durch ihre Nase hinaus. »Jane schläft«, sagt sie.
    »Und wie würdest du das finden, wieder ins Bett zu gehen?«, flüstert Faith. Hört sie da ein leises Klopfen an der Tür – der Tür, die sie fest verrammelt hat? Die sie nicht öffnen wird. Hinter der die Welt und

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