Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
und ein flachsblonder Junge nahmen Nina in der Auffahrt in Empfang und drückten ihr ein Exposé in die Hand.
»Schauen Sie sich in Ruhe um. Sollten Sie das Haus mögen, erkläre ich Ihnen nachher, wie ich mir das mit der Renovierung vorgestellt habe«, sagte Herr Behrendsen und wandte sich einem der anderen Interessenten zu. Wie Nina befürchtet hatte, waren eine Menge Leute zur Besichtigung erschienen, Eimsbüttel war eben ein beliebter Stadtteil und das Haus ein wahres Kleinod.
Das Anwesen war ziemlich groß, und mit seinen vielen Erkern, Türmchen und Giebelfenstern wirkte es ein bisschen wie Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt. Die schwere Eingangstür war mit wunderschönen Jugendstilelementen versehen, und den Treppenaufgang säumte ein schnörkeliges, schmiedeeisernes Geländer. Die teils rissigen Stufen taten dem Ganzen keinen Abbruch, im Gegenteil. Schon von außen verbreitete die Villa einen ganz eigenen Zauber, man fühlte sich wie in einer anderen Welt. Und war doch mitten in Hamburg! Nina konnte es kaum fassen – sie liebte dieses Haus, das wusste sie schon jetzt!
Die Fassade war an einigen Stellen abgeblättert, dafür rankten sich Efeu, eine hellgrüne Kletterhortensie und Wilder Wein die Wände entlang. Zu ihrer großen Freude entdeckte Nina an der Seitenfassade intensiv leuchtenden Blauregen – eine ihrer absoluten Lieblingspflanzen.
Beglückt folgte sie einer großen, schlanken Blondine, die sich fortwährend Notizen in ein teuer aussehendes Filofax machte und ihr auf Anhieb unsympathisch war. Nina hatte eine ausgeprägte Abneigung gegenüber diesem Typ Frau, den sie insgeheim »Perlen-Paula« nannte. Perlen-Paulas waren Frauen, die alle in demselben leger-luxuriösen Einheitslook herumliefen (Gucci-Sonnenbrille, Pferdeschwanz, flache Tods und die obligatorische Perlenkette) und in den einschlägigen Hamburger Nobelvierteln wohnten, in denen man eben residierte, wenn man über das nötige Kleingeld verfügte.
»Na, wo sind wir denn her? Aus Eppendorf?«, frotzelte Nina vor sich hin und hoffte inständig, dass diese Frau kein Interesse daran haben würde, hier einzuziehen. Man konnte sich schließlich nicht ständig aus dem Weg gehen.
Doch bald schon hatte Nina die blonde Frau vergessen und ließ sich erneut vom Charme der Villa gefangen nehmen. Der Flur im Eingangsbereich war nicht besonders hell, aber dafür mit außergewöhnlich schönen Bodenfliesen belegt. Rechts befand sich eine alte, schwere Kommode aus Nussholz, auf der ein mehrarmiger, silberner Kerzenleuchter stand. Und daneben – Nina traute ihren Augen kaum – ein altes Telefon, wie sie es aus ihren Kindertagen kannte. Das ausladende Gehäuse war mit moosgrünem Samt bezogen, und im Geist konnte Nina bereits das schnarrende Geräusch der Wählscheibe hören.
An der Zimmerdecke entdeckte Nina ein paar feuchte Stellen, und der Raum roch etwas muffig. Das würde man wohl im Auge behalten müssen, denn jede Form von Schimmel oder Schwamm war natürlich vollkommen inakzeptabel. Versonnen blickte Nina sich um. Das Haus war wie ein altvertrauter Freund, dessen Schwächen man gut kannte und den man genau deshalb besonders ins Herz geschlossen hatte.
Vom Flur aus gingen links und rechts die beiden Erdgeschosswohnungen ab, und Nina konnte es kaum erwarten, einen Blick hineinzuwerfen. Die Wohnung im ersten Stock war über eine knarrende Wendeltreppe zu erreichen. Hier würde sie glücklich sein, das konnte Nina intuitiv spüren.
»Ist es nicht wunderschön hier?«, hörte sie die entrückte Stimme einer älteren Dame, und Nina konnte ihr nur zustimmen. Ihr persönlich gefiel natürlich die Wohnung mit dem Zugang zum Garten und dem wunderschönen alten Kachelofen am besten. Ob der funktionsfähig war, würde sich zwar erst noch herausstellen, aber selbst wenn nicht, war er immer noch ein echtes Schmuckstück. Während Nina zum zweiten Mal die Räume abschritt, knarrte es immer wieder verdächtig unter ihren Schuhen. Es schien, als wären die Bodendielen an einigen Stellen ein wenig lose. Ninas Phantasie schlug Purzelbäume: Vielleicht war da noch irgendwo ein Versteck aus alten Zeiten, und sie würde ein Bündel vergilbter Liebesbriefe unter den Dielen finden, oder alte Tagebücher.
Die Küchen der drei Wohnungen waren nach altem Standard ausgestattet, ebenso die Bäder. Charmante Details wie blau-weiße Delfter Kacheln, ein gusseiserner Herd und eine frei stehende Badewanne mit Dackelbeinen entschädigten schnell für das, was
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