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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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Mutter weggenommen und am Hals in Kästen angekettet, die nur sechzig Zentimeter breit sind. Sie können sich nicht umdrehen, die Glieder strecken oder sich auch nur bequem hinlegen. Wie eine Jeschiwe oder eine Madrasa oder eine katholische Schule. Bis auf das mit »der Mutter weggenommen« haben es die kleinen Kälbchen gut; meine Mutter steckte mich in die Kiste und stellte sehr klar, dass ihre Liebe davon abhing, dass ich in der Kiste blieb. Um die Sache noch besser zu machen, niemand steht vor dem Kasten des Kalbs und sagt ihm, dass es im Himmel so eine Art Allmächtige Kuh gibt und dass diese Allmächtige Kuh dem Kalb gebietet, in dem Kasten zu bleiben, und dass der beengende Kasten, in dem es sich befindet, zudem noch ein Geschenk ist – ein Geschenk der Allmächtigen Kuh, weil Kälber Kuhs auserwähltes Vieh sind, und wenn das Kalb auch nur daran denkt, die Kiste zu verlassen oder die Kiste in Frage zu stellen oder sich gar über die Kiste zu beklagen, na, Kuh steh ihm bei.
    Seit kurzem befinde ich mich in einer Minirevolte. Ich mache meine Arbeit und schreibe an meinen Geschichten, und mein Respekt vor Gott und seiner Abteilung für Ironische Bestrafisierung liegt einstweilen auf Eis. Heute Morgen setzte ich mich in mein Büro, einen Kaffee in der Hand, und fühlte mich wie das Haar in der Suppe. Gib ’ s mir, o Herr , dachte ich, als ich den Laptop anstellte. Tu das Schlimmste.
    Und dann rief Orli an.
    – Was für Tests?, fragte ich sie. – Wer hat dich angerufen, was machst du … Was für Tests?
    Sie hießen Alpha-Fetoprotein-Tests, und in Verbindung mit einem Enzym-/Hormontest sagen sie einem, wie groß die Chancen sind, dass das Kind das Down-Syndrom hat. Die Schwester hatte morgens, kurz nachdem ich gegangen war, angerufen und ihr gesagt, die Möglichkeit, dass unser Kind das Down-Syndrom habe, liege bei 1 zu 20. Normal sei 1 zu 270.
    Orli weinte.
    – Das verstehe ich nicht, sagte ich.
    So einen Job hat jemand? Man wacht auf, putzt sich die Zähne, holt sich einen Kaffee und verbringt dann den Tag damit, herumzutelefonieren und Leuten zu sagen, ihr ungeborenes Kind habe das Down-Syndrom? Am Telefon ? Was ist das denn für ein mieser Scheißjob? Wie kriegt man so einen Job? Einer Spinne alle Beine ausreißen und in einen Becher werfen? Hübsch. Besonders hat uns gefallen, wie Sie das letzte Bein drangelassen haben, damit sie denkt, sie hat noch eine Chance. Klasse. Können Sie Montag anfangen?
    Ich verstand es nicht.
    – Das verstehe ich nicht.
    Und beruhige dich. Bitte beruhige dich. Sie können sich irren, und ich komme nach Hause, und weinst du, und ich mach das, in ein paar Minuten bin ich zu Hause, und was machen wir dann, und BERUHIGE DICH bitte und schrei mich nicht an und es tut mir leid und ich liebe dich und ich liebe dich und ich liebe dich und alles wird gut.
    Du beschissenes Arschloch, Gott. Du beschissenes, beschissenes Arschloch.
    Ich zog den Mantel an, steckte die Schlüssel ein, schmiss den Laptop in die Tasche, rannte aus meinem Büro, stieg in meinen Pick-up, knallte die Tür zu, ließ den Motor an, zog den Laptop aus der Tasche, löschte alle Gott-Geschichten, an denen ich gearbeitet hatte ( Möchten Sie? , fragte der Computer. Diese Aktion kann nicht widerrufen werden. Ich mochte), klappte den Laptop zu, steckte ihn in die Tasche, legte den Gang ein und trat aufs Gas.
     
    Orlis Mutter ist Ägypterin. Ihr Vater ist Buchare. Ihr Haus steht in London, aber den Großteil des Jahres leben sie im 16. Jahrhundert. Orlis Beziehung zu ihnen ist herzlich, aber sie ruft sie nicht gerade um Rat an, medizinischen wie auch sonstigen. Das Telefon würde bei ihnen in der Küche klingeln, ihr Vater würde versuchen, den Toaster abzunehmen, und ihre Mutter würde in der Tür stehen und ein finsteres Gesicht machen.
    – Siendom?, würde ihr Vater fragen. – Was ist dieses Siendom?
    – Syndrom, würde Orli ins Telefon brüllen. – Syndrom! Down! Syndrom!
    – Down, ja. Was ist Down?
    Was mich betrifft, so hat meine Mutter einen Sohn mit Namen Shalom, den sie sehr liebt, aber er ist nicht ich, genauer gesagt, ich bin nicht er. Er ist verheiratet und hat viele Kinder, und er wohnt gleich neben ihr in einer ordentlichen jiddische Gemeinde, und er hält den Sabbat ein und nennt ihn Schabbes , und er ruft sie vor Schabbes an und wünscht ihr einen guten Schabbes , und er trifft sie am Schabbes in der Synagoge, und sie gehen am Schabbes zusammen nach Hause, und nach dem Schabbes ruft er sie an und

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