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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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in den vorderen Hosentaschen, Hände in den hinteren, Arme über der Brust verschränkt. Ich probierte mehrere Positionen aus: Ich setzte sie mir vorn auf den Kopf, unmittelbar über dem Haaransatz, wie die Lampe auf einem Grubenhelm; ich setzte sie auf den Hinterkopf; ich schob sie wieder in die Mitte und stupste sie irgendwie lässig auf die Seite. Verdammt, das sah alles gut aus. Es war eine Wahnsinnskipa. Deena würde nicht wissen, wie ihr geschah.
    Honigtopf , dachte ich.
    – Ob du wohl, fragte die böse Neigung, – noch ein paar Zeitschriften unter der Kommode hast?
    Ich ging auf Hände und Knie und schaute unter meine Kommode. Alle weg.
    – Ob vielleicht dein Bruder welche hat?, fragte sie.
    Ich schaute unter die meines Bruders, aber da war auch nichts. Ich schaute unter sein Bett, ich schaute in seinen Schrank und in seinen Schreibtisch. Nichts.
    – Hinter seinen Büchern, sagte die böse Neigung.
    Ich stellte mich auf sein Bett, langte hinter seine Bücher und zog ein Hochglanzmagazin hervor. Es hieß Puritan , und mein sündiges Herz begann zu rasen.
    Woher hatte mein Bruder eine schmutzige Zeitschrift?
    Wusste er um den Stein der Pornographie?
    Vor allem aber, was war Cum , und warum wollte die Frau auf dem Titelblatt, dass ich es ihr übers Gesicht schoss?
    In jener Nacht, lange nachdem mein Bruder und ich eingeschlafen waren, stieß mein Vater die Tür zu unserem Schlafzimmer auf. Wir schreckten beide hoch. Er schaltete das Licht an, wir hielten uns die Augen zu, und er wollte wissen, wer von uns in seiner Garage gewesen sei. In seiner zornbebenden Hand hielt er die Ahle, mit der ich vorher meine Kipa verstümmelt hatte, und zeigte damit auf uns.
    – Wenn ich einen von euch noch mal in meiner Garage erwische, knurrte er, – brech ich ihm verdammt noch mal die Arme.
    Er ging wieder hinaus, knallte die Tür zu und stampfte nach oben. Mein Bruder haute mir auf den Arm, ich versuchte das Gleiche bei ihm, verfehlte ihn aber, und er haute mich noch einmal, dann schlichen wir beide in Unterwäsche leise auf Zehenspitzen aus unserem Zimmer zum Treppenabsatz, wo wir lautlos im Kreis herum tanzten, die Arme über den Kopf gereckt, den Mittelfinger hinauf zu unserem Vater reckend, bis es zu kalt wurde und wir zurück ins Bett huschten, die Decke über uns warfen und versuchten zu schlafen.
    Am folgenden Tag war das Haus wieder leer, als ich kam. Ich ging mit den Zeitschriften meines Bruders nach draußen, tränkte sie mit Feuerzeugbenzin und zündete sie an.
    – Und wenn ich dreißig finde?, fragte Abraham Gott. – Wenn Du Sodom wegen vierzig Gerechter nicht vernichtest, vernichtest Du es dann bei dreißig?
    Gott seufzte.
    – Nein, sagte er. – Dreißig erscheint mir doch …
    – Zwanzig?
    – Na gut, zwanzig.
    – Sagen wir fünfzehn, sagte Abraham.
    Ich schlug die Hände vors Gesicht, presste die Augen zu und wiegte mich vor dem Feuer vor und zurück.
    – Bitte, bat ich Gott. – Am besten zwei von dreien.
     
    – Deena möchte dich am kommenden Schabbes zu sich nach Hause einladen, sagte Ari.
    Ari und Deena waren beste Freunde. Ari hatte einen riesigen Kopf – er erinnerte mich an eine lebendig gewordene politische Karikatur – und den Mund voller Metallspangen und Gummibänder. Deena hatte ihm drei Kipas gehäkelt, aber das waren nur Freundschaftskipas, keine Freundkipas. Ari war auch mit Dov und Eli und noch einem Ari befreundet und Deena mit Lisa und Nava und noch einer Deena, und jeden Samstagnachmittag gingen Ari und Dov und Eli und der andere Ari und Lisa und Nava und Drorit und die andere Deena zu Deena, um über ihre Haare zu reden und sich über die Kleider ihrer Klassenkameraden lustig zu machen. Teils weil ich wegen Ari ein schlechtes Gewissen hatte – einer seiner Spitznamen war »Kopf« –, vor allem aber weil ich wusste, dass er mit Deena befreundet war, hatte ich mich ins Zeug gelegt, um sein Freund zu werden, und jene ersten Wochen in meiner neuen Jeschiwe damit verbracht, über seine dummen Witze zu lachen und ihn mit Karamellbiskuits von Stella D’oro vollzustopfen. Sein anderer Spitzname war Stella.
    – Und? Kommst du?, fragte Stella.
    Deenas Haus war über eine Stunde zu Fuß von meinem entfernt.
    – Klar, sagte ich lässig und rückte meine neue Kipa zurecht. – Sie ist echt nett.
    – Ja, sagte Kopf. Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern, und er beugte sich zu mir herüber. – Ich versuche, sie mit Dov zu verbandeln!
    Ari grinste breit, und sein abnormer

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