Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
Vom Netzwerk:
auch noch zum Waschsalon. Und zu CVS an der Route 59.
    – Meinetwegen.
    – Da gibt’s auch ein White Castle. Da können wir uns einen Nachtisch holen.
    Ich lehnte mich in meinen Sitz zurück, zündete mir eine Zigarette an und überlegte, was die falsche Kelly gerade machte. Wie sich zeigte, hatte sie mir auf der Rückbank ihres Trans Am einen runtergeholt.
    – Echt!, sagte David am nächsten Morgen.
    – Echt, sagte ich.
    David hatte Yossi von Kelly erzählt, und Yossi hatte es Yoni erzählt, und wir vier hockten, die Köpfe zusammengesteckt, in der dunklen Nische hinten in der koscheren Pizzeria. Yoni nahm die Brille ab, wischte sich über die Stirn, putzte die Gläser mit seiner Kipa, klemmte sich die Drahtenden wieder hinter die Ohren und beugte sich über den Tisch.
    – Lass nichts aus, sagte er.
     
    Zwei Wochen später war ich noch immer bei den B-Mappen, und die echte Kelly ging mir zunehmend auf den Keks. Ich war sauer, dass sie mir nicht ein bisschen mehr bei der Ablage half, richtig wütend war ich aber darüber, dass sie nicht mehr wie die falsche Kelly war, dass sie es nicht einmal versuchte. Die falsche Kelly hatte überall Sextoys und Gleitcreme dabei, die echte Kelly dagegen Schokoriegel und Süßigkeiten. Ich saß ihr bei Arby’s gegenüber und schäumte. Der gottverdammte Trans Am gehörte nicht mal ihr; er gehörte dem Freund ihrer Mutter, und da Mama Kelly das Haus nicht gern unnötig verließ, durfte Kelly als Gegenleistung für die Besorgungen, die sie für sie erledigte, damit herumfahren, Besorgungen, in die ich zunehmend eingespannt wurde.
    – Was dagegen, wenn wir bei der Apotheke vorbeifahren?
    – Ich muss zum Grand Union.
    – Nur noch kurz in den Waschsalon.
    Und immer, unausweichlich, egal, wie spät wir schon dran waren, noch zu McDonald’s oder Burger King oder White Castle.
    – Jetzt sollten wir aber wirklich ins Krankenhaus, sagte ich.
    – Hast ja recht, war ihre Antwort, und sie bog zu Wendy’s ein. – Nur zum Drive-in.
    Wegen des Sabbats konnte ich meine gemeinnützige Arbeit nur sonntags machen, und wegen der Bestimmungen im Krankenhaus durfte ich nur sechs Stunden täglich arbeiten. Daher würde es vier Monate dauern, bis ich meine ganzen zweihundert Stunden abgerissen hatte, und da Kelly die Hälfte meiner Stunden pro Tag buchstäblich auffraß, rechnete ich mit fast einem ganzen Jahr, bis ich wieder ein Wochenende für mich hätte.
    – Die Ablage macht sich nicht von allein, sagte ich zu Kelly.
    – Doppelter Cheeseburger, sagte Kelly zu dem Clown-Schild. – Und zwei Apfeltaschen. Willst du auch eine?
    – Gern, sagte ich.
    – Dann drei, sagte sie zur Bedienung.
    Ich kurbelte mein Fenster herunter, zündete mir eine Zigarette an und überlegte, was die falsche Kelly jetzt wohl gerade machte. Ein Auto fuhr vorbei, die Fahrerin hupte, und Kelly winkte.
    – Was läuft, Kell?, fragte das Mädchen in dem anderen Auto.
    – Ich hol mir bloß kurz was zum Lunch, sagte Kelly. – Das ist mein Freund, Steven.
    Ich sah Kelly an, und sie lächelte.
    – Sehr witzig , sagte ich zu Gott. – Du bist sehr witzig.
     
    – Was hat sie?, fragte David.
    Je wütender ich auf die echte Kelly wurde, desto größere sexuelle Fortschritte machte ich mit der falschen. Am Abend davor hatte sie mir beispielsweise einen geblasen.
    – Echt!, sagte Yoni.
    – Echt, sagte ich.
    Das war ein Sprung, aber seit meiner ersten Sexgeschichte waren zwei Wochen vergangen, und mein Publikum wurde ungeduldig. Ich musste mit der Geschichte vorankommen. So etwas nannten die Schriftsteller den »gefürchteten zweiten Akt«.
    Eine Weile sagte niemand etwas.
    – Wie?, fragte Yossi.
    Es war ein ungläubiges »Wie«, ein existenzielles »Wie«, ein geschrienes »Wie«, ein »Wie kann Gott zulassen, dass so etwas nicht mir passiert?«.
    Immerhin war es eine wilde Nacht gewesen. Ich hatte mit Kelly und ihrer Freundin Jill gefeiert. Alles war irgendwie cool, bis ihre Freundin Sabrina kam; erst später fiel mir auf, dass ich alle meine Figuren nach Drei Engel für Charlie genannt hatte. Ich gründete meine Kelly-Geschichten auf Szenen aus Pornofilmen, die ich mir am Vorabend angesehen hatte – so etwas nannten die Schriftsteller eine »Hommage« –, unter besonderer Betonung von Dingen wie beispielsweise der Trans Am, die in früheren Geschichten beim Publikum gut angekommen waren: Sabrina kam, und wir stiegen in den Trans Am; wir fuhren mit dem Trans Am in ein Autokino, wo wir den Trans Am parkten, und

Weitere Kostenlose Bücher