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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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stand, der Nissan meiner Mutter, mit dem ich am Morgen zum Krankenhaus gefahren war, und ein schwarzer Pontiac Trans Am.
    Bitte lass es den Trans Am sein , betete ich zu Gott, – bitte lass es den Trans Am sein .
    Es war der Trans Am.
    – Allmählich wirst Du vernünftig , sagte ich zu Ihm.
    Der Trans Am war der McDonald’s unter den Autos. Ich zerrte die knarrende Beifahrertür auf und stieg ein. Kelly ließ sich auf den Fahrersitz fallen, die Federung ächzte, Kelly startete den Wagen und reichte mir dabei eine Zigarette. Ich lehnte mich auf meinem Sitz zurück, zündete sie mir an und streckte den Ellbogen aus dem Fenster. Es machte nichts, dass der Rost ein Loch in den Boden gefressen hatte. Es machte nichts, dass schwarzer Rauch aus dem Auspuff des Trans Am quoll. Es machte nichts, dass Kelly außer Atem war, nur weil sie das Fenster heruntergekurbelt hatte.
    Sie hieß Kelly.
    Ich rauchte eine Zigarette.
    Auf dem Weg zu McDonald’s.
    In einem bescheuerten Trans Am.
    Kelly bestellte einen Quarter Pounder mit Käse, ein Filet-O-Fish, zehn Chicken McNuggets, weitere acht Chicken McNuggets, eine große Pommes, eine Apfeltasche, ein Eis und eine große Cola light. Ich tat es ihr nach, aber nur ein bisschen. Ich bestellte einen Cheeseburger.
     
    Die falsche Kelly war, das zu meiner Verteidigung, Zufall. Neben der gemeinnützigen Arbeit hatte mir der Richter auch noch eine saftige Strafe aufgebrummt, die zu bezahlen meine Mutter sich weigerte.
    – Aber du darfst keinem sagen, wofür es ist, sagte ich zu David.
    – Okay, kein Problem. Wofür ist es?
    Jüdisches Recht war gerade vorbei, und wir verließen die Jeschiwe in Richtung der koscheren Pizzeria gegenüber.
    – Ladendiebstahl, sagte ich.
    – Was?
    – Sie haben mich verhaftet, erzählte ich ihm. – Wegen Ladendiebstahl.
    David blieb stehen. Ich schämte mich. Es war nicht das Schlimmste, was ich je getan hatte, aber es war das Schlimmste, was ich getan und von dem ich jemandem erzählt hatte.
    – Verhaftet? Im Ernst?
    Ich zuckte die Achseln.
    David hob die Arme über den Kopf und johlte.
    – Das ist ja WAHNSINN !, schrie er. Er legte mir den Arm um die Schulter, und wir gingen weiter. – Wow! Verhaftet! Du ROCKST . Wie war’s im Knast?
    Das konnte ich nicht wissen. Die Polizisten waren ganz freundlich. Sie nahmen mir die Fingerabdrücke ab, dann knipsten sie mich fürs Verbrecheralbum, dann sollte ich mich in einer leeren Zelle auf einen metallenen Klappstuhl setzen, solange sie auf irgendeinen Papierkram warteten.
    – Tut uns leid, dass er aus Metall ist, sagte einer, – aber einen anderen Stuhl haben wir nicht.
    Ein paar Minuten später kam er mit einem gepolsterten wieder. Ein anderer Beamter bot mir eine Cola an und sagte mir, wo im Gang ich einen Bonbonautomaten fände. – Wir kriegen hier nicht viele Juden, sagte er. Sie fuhren mich zu meinem Wagen an der Mall zurück, und eine Stunde später war ich zu Hause. Aber ich bat David um viel Geld – $ 750 –, und ich fand, dafür hatte er etwas gut bei mir.
    – Heftig, Mann, sagte ich. – … Echt, einfach … heftig.
    Wir überquerten die Straße und setzten uns in eine Nische weiter hinten in der Pizzeria.
    – Haben sie ihre Waffen gezogen?, flüsterte David.
    Es gab keine sie. »Sie« war ein alternder, kurzatmiger Wachmann, der mich auf dem Parkplatz angehalten und höflich gebeten hatte, in meinen Rucksack schauen zu dürfen.
    – Einer, nickte ich. – Großer Schwarzer.
    – Echt!, sagte David.
    – Echt, sagte ich.
    Ich war inzwischen dazu gekommen, alle Bücher, die ich zuletzt gestohlen hatte, zu lesen, und eines handelte davon, wie man es anstellt, selbst ein Buch zu schreiben. Dieses Buch las ich als Erstes. Es interessierte mich nicht weiter, Schriftsteller zu werden, aber ich hatte eine Menge Fiktionen in meinem Leben, Fiktionen, die einige demütigende Tatsachen überdeckten: eine Besessenheit von Pornographie, zwanghaftes Stehlen, den Sabbat verletzen, Fleisch zusammen mit Milch essen, ohne Kipa herumlaufen. Meine ganze Welt hing davon ab, meine Geschichten glaubhaft zu machen – das zu fördern, was Schriftsteller, wie ich gerade gelernt hatte, »das Ausräumen von Zweifeln« nannten –, und da fand ich, dass ich mir eigentlich auch ein paar Tipps von den Profis holen konnte.
    Aus den zwanzig Minuten auf dem gepolsterten Stuhl in der leeren Zelle wurden acht Stunden in einer Gemeinschaftszelle mit einem Haufen abgefuckter Schwarzer und einem Neonazi mit

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