Eine Vorhaut klagt an
Hakenkreuz-Tätowierung, der mich giftig ansah. So etwas hieß bei den Schriftstellern »Substanz hinzufügen«.
David schüttelte ungläubig den Kopf. Ich erzählte ihm kurz von der Verhandlung, von der Strafe und der gemeinnützigen Arbeit. Am besten gefiel ihm das mit meiner Bewährungshelferin, die ich jetzt hatte, was mich freute, da sie eines der wenigen Elemente war, die tatsächlich stimmten. Und dann erwähnte ich, ohne mir sehr viel dabei zu denken, Kelly.
– Kelly , sagte er grinsend. – Erzähl mir von Kelly .
– Sie fährt einen Trans Am, sagte ich. – Und sie spielt Lacrosse.
Vielleicht, so fragte ich mich, als ich sah, wie David große Augen bekam, ist jedes Erschaffen Zufall. Vielleicht hatte Gott ja nur ein paar Seen und ein paar Vögel erschaffen wollen, aber dann brauchten die Vögel Bäume, damit sie wirklich beeindruckt wären, und die Bäume brauchten Sonne, und am dritten Tag war alles aus dem Ruder gelaufen. Hier eine Eule, da ein Berg, und eine Woche später hat Er einen ganzen verdammten Planeten am Hals. Manche Leute wissen einfach nicht, wann Schluss ist, und ich wusste, wie Ihm zumute war. Während der folgenden zwanzig Minuten beschrieb ich David die falsche Kelly in allen großen und kleinen Einzelheiten – die Brüste groß, die Nase klein. Sie war ein Ersatzteile-Special aller meiner liebsten Pornofimstars, eine Miss Frankenstein: die Brüste von Christy Canyon, die Haare von Ginger Lynn, der Arsch von Traci Lords. Und dann noch ein Pontiac Trans Am. Und Lacrosse. Das nannten die Schriftsteller »Charakterisierung«.
Ja, vielleicht schriebe ich eines Tages tatsächlich ein Buch. Der Umgang mit Wörtern war mir schon immer leichtgefallen: Als ich noch sehr klein war, triezte mein Bruder mich so sehr, dass ich eines Tages ein Messer nach ihm warf.
– Nein, sagte meine Mutter. – Gebrauche deine Wörter.
Was ich tat. Ich sagte ihm, wie egoistisch er sei, wie er mit seiner sturen Streitsucht unsere ganze Familie zerreiße, wie er zu dem werde, was er an unserem Vater hasse, und Schlimmeres.
– Okay, sagte meine Mutter, – gebrauch doch nicht deine Wörter.
David rutschte auf seinem Sitz vor und lehnte sich über den Tisch. Seine Augen brannten sich in meine, warteten auf das nächste Kapitel. Ich kam mir vor wie ein Fernseher.
Das war mein Leben: Morgens um sieben los zur Jeschiwe, abends um acht wieder zu Hause, um neun eingesperrt in meinem Zimmer, um Viertel nach neun nackt und um halb zehn stoned, der Haschrauch wehte aus meinem Zimmer im Souterrain, am nächsten Vormittag eine Talmudprüfung: rauchen, masturbieren, abspülen, wiederholen, bis mir Pornos oder Stoff ausgegangen waren oder ich einfach nicht mehr die Augen offen halten konnte. Für David war das Leben wahrscheinlich nicht schlimmer, aber sehr viel besser war es wahrscheinlich auch nicht. Wir beide brauchten Kelly.
– Machst du’s ihr?, flüsterte er.
Ich schaute über die Schulter. Rabbi Osborn, der stellvertretende Direktor der Jeschiwe, saß zwei Nischen hinter uns, vertieft in eine Falafel und eine schmierige Nummer der Jewish Press .
– Nö, antwortete ich. – Aber es gibt ja noch das nächste Wochenende.
Das nannten die Schriftsteller einen »Haken«.
An jenem Samstagabend, nach dem Ende des Sabbats, fuhr ich nach Washington Heights, kaufte bei José etwas Hasch und bei einem Kiosk in der Nähe Kartoffelchips, ein Feuerzeug und eine vierstündige Videosammlung von tausendundeiner Oralsexszene.
Am Sonntag sah ich die echte Kelly wieder.
Akten, die mit dem Buchstaben B begannen, kamen in eine Mappe mit dem Buchstaben B darauf. Die Mappen mit dem Buch- staben B darauf kamen sodann in eine Aktenmappe mit dem Buchstaben B darauf. Sodann wurde die Aktenmappe in einen Aktenschrank gestellt. Der Aktenschrank war mit dem Buchstaben B gekennzeichnet.
– McDonald’s?, fragte Kelly und klingelte mit ihren Autoschlüsseln.
– Gern.
Die echte Kelly wurde ein wenig klammerig. Mir war nicht nach McDonald’s – der Burger von der Woche zuvor hatte mir vier Tage unbeherrschbaren Durchfall bereitet – Jahwes Rache –, aber immerhin war sie mir die Inspiration zur falschen Kelly gewesen, und ich fand, dass sie dafür etwas bei mir guthatte.
– Gern, sagte ich.
Kelly stieg in den Trans Am. Ich schmiss die leeren Fastfoodpackungen und Sodabecher und Burgerpapiere auf die Rückbank zu den übrigen Fastfoodpackungen und Sodabechern und Burgerpapieren und setzte mich neben sie.
– Ich muss
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