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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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Geschichte die Runde machen. Nach dem letzten Klingeln lief ich Yoni über den Weg.
    – Tut mir leid, sagte er.
    – Becky Jacobowitz?, fragte ich.
    Er legte mir den Arm um die Schulter und nickte.
     
    Zwei Wochen später saß ich morgens um eins mit BJ Jacobowitz im Auto auf der Einfahrt vor dem Haus ihrer Eltern. Ich schaute auf den Davidstern zwischen ihren Brüsten, legte den Arm um sie und zog sie an mich. Wir umarmten uns. Ich spürte ihre Haare auf meinem Gesicht. Ich roch das Parfüm auf ihrem Hals. Ich hörte sie weinen.
    – Was ist?, fragte ich sie.
    Sie löste sich von mir und schlug die Hände vors Gesicht.
    – Ich hab Angst.
    – Was?
    – Vor dir, sagte sie. – Du bist so … erfahren.
    – Was?
    – Hab ich gehört.
    Gott kicherte schon.
    – Ich mach ganz langsam.
    – Nein, sagte sie. – Ich kann nicht.
    Ich sah aus dem Fenster und schüttelte den Kopf.
    – Aber … ich hab die gleichen Sachen über dich gehört, sagte ich.
    Becky brach in Tränen aus.
    – Das hab ich alles erfunden!, heulte sie.
    Ja, es hatte einen Freund gegeben, aber da war nichts passiert; das Nichts war der Grund der Trennung gewesen. Als die Mädchen in der Schule sagten, sie habe es gemacht, fand sie das gut, fand es gut, wie die anderen sie ansahen. Und so erwähnte sie nie so richtig, dass sie und ihr Freund sich getrennt hatten oder dass sie eigentlich gar nichts miteinander gemacht hatten oder auch dass er am Jeschiwe-College war.
    – Echt!, sagte ich.
    – Echt, wimmerte sie.
    Und ich hatte mir schon den Quarterback der Duke vorgestellt.
    Das nannten die Schriftsteller »Ironie«.
    Wir saßen eine Weile stumm da, um uns herum nichts als das ungeduldige Brummen des Motors und Gottes hysterisches Lachen.
    – Unfassbar, dass du mir die Wahrheit sagst, sagte ich.
    – Ja, wimmerte sie.
    Ich hatte es als Kompliment gemeint.
    Wieder versuchte ich, Becky davon zu überzeugen, dass wir es langsam machen würden, dass Erfahrung auf dem Gebiet kein Nachteil, sondern ein Vorteil sei.
    – Sieh mal, wenn du willst, dass ich ungeschickt an deinem BH -Verschluss rumfummle, dann mach ich das; ich sag ja bloß, ich muss nicht.
    Doch es war zwecklos.
    – So eine bin ich nicht, sagte Becky.
    Kelly war auch nicht so eine. Niemand war so. Allmählich hatte ich den Verdacht, dass die Pornographie mich belog.
    Ich sagte zu Becky, es sei okay. Ich sagte ihr, auch ich hätte bei manchen Dingen gelogen. Wir saßen eine Weile nebeneinander, redeten über Freunde und die Schule, dann brachte ich sie an die Haustür und gab ihr einen Gutenachtkuss; wir umarmten uns, zwei einsame Lügner im grellen, anklagenden Scheinwerferlicht des Mondes.
     
    Akten, die mit dem Buchstaben E begannen, kamen in eine Mappe mit dem Buchstaben E darauf. Die Mappen mit dem Buchstaben E darauf kamen sodann in eine Aktenmappe mit dem Buchstaben E darauf. Sodann wurde die Aktenmappe in einen Aktenschrank gestellt. Der Aktenschrank war mit dem Buchstaben E gekennzeichnet. Später rief ich meine Bewährungshelferin an und fragte sie, ob sie je davon gehört habe, dass der Eintritt in eine religiöse Einrichtung als gemeinnützige Arbeit zähle. Ich fuhr nach Hause; meine Mutter war in der Küche.
    – Mom?
    Damals redeten wir kaum miteinander, sahen uns auch kaum an.
    – Hmm, sagte sie.
    – Ich glaube, eine Weile in Israel täte mir ganz gut.
    Sie sah zu mir hoch, lächelte und nahm mein Gesicht in die Hände.
    – Gelobt sei Gott, sagte sie.

13
     
    Am Beginn von Orlis drittem Trimester kam ich von der Arbeit nach Hause, wo auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht für mich wartete. Sie war von meiner Mutter.
    – Hi, Kinder. Ich wollte nur hören, wie es Orli geht. Wenn ihr den Namen eines Mohels braucht, sagt Bescheid. Er ist bei uns draußen, aber vielleicht kennt er ja jemand bei euch. Einen muss es bei euch ja geben, der das macht. Ich kenne jemand, der hatte einen Freund in Tannersville, und die hatten jemand, der es bei ihrem Sohn gemacht hat. Ich kann euch den Namen besorgen, wenn ihr wollt. Außer ihr lasst es hier in der Nähe machen, das wäre ja viel einfacher, da hätte ich tausend Leute, die es machen würden, also sagt einfach Bescheid.
    Genau das hatte ich von Anfang an befürchtet. Meine Familie hatte sich wieder reingedrängt, Schüsse wurden abgefeuert, und die Kugeln sirrten um die einstmals sicheren Wände meines Lebens, bis mich eine Woche später eine in den Hinterkopf traf und ich blutend umfiel, mich zu meinem Psychiater schleppte und

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